Eine erste Zuflucht
Ukraine-Hilfe hat viele Gesichter: In Frankfurt hat ein Unternehmen ein Hotel für Flüchtlinge gemietet. Wir waren dort zu Besuch.
Juliia Suleymanova und ihre beiden Kinder haben eine tagelange Flucht aus der Ukraine hinter sich. Stundenlang warteten sie in Dnipro auf den Zug nach Westen, in den sie sich schließlich quetschten. Für Gepäck war kein Platz mehr, „das haben wir rausgeworfen“, sagt die Ukrainerin. In dem Gedränge verlor sie eines ihrer Kinder. Sie habe solche Panik gehabt, erzählt Suleymanova, bis sie es in einem anderen Waggon bei einer Freundin wusste. Die Erinnerung an die Fahrt sei kaum zu ertragen: Tagelang habe sie nicht geschlafen und ohne Wasser in den überfüllten Zügen ausgeharrt. Noch vor ein paar Wochen arbeitete sie im Bauministerium der Ukraine und stand mitten im Leben. Nun ist Suleymanova eine von 400 ukrainischen Geflüchteten, die in Frankfurt in einem ehemaligen Messe-Hotel untergekommen sind. Mitte März zogen die Frauen und Kinder in das Haus ein, das der Dienstleistungskonzern WISAG gemietet hat und nun gemeinsam mit seiner Kinderhilfe-Stiftung KiWIS betreibt. Alle Zimmer sind belegt. In Doppelzimmern sind bis zu vier Personen untergebracht, je nach Verwandtschaftsgrad und Alter der Kinder.
Deutsche Nachbarn helfen Geflüchteten
„Die Hilfsbereitschaft ist außergewöhnlich groß“, stellt Dr. Annette Gümbel, Geschäftsführerin von KiWIS, fest. Die Nachbarschaft in der Stadt möchte helfen, wo sie kann: Im Eingangsbereich finden sich Aushänge von Eltern, die Fußballtreffs organisieren. Im ehemaligen Wellness-Bereich des Hotels stapeln sich die Sachspenden. Nebenan ist das Spielzimmer für die vielen Kinder. „Das war so süß, ein Kind aus Frankfurt hat einen Brief geschrieben, an ein Kuscheltier gebunden und hier persönlich abgegeben“, erzählt WISAG-Pressesprecherin Jana Eggert. Sogar ukrainische Bücher wurden gespendet, aber auch Brettspiele, Papier und Stifte. „Eine geflüchtete Mutter war Kunstlehrerin in der Ukraine“, erzählt Eggert, „sie gibt hier Malkurse“. Über den Beamer, der bisher wohl nur Business-Präsentationen kannte, soll demnächst ein Kinderfilm gezeigt werden. Gümbel berichtet von Kindern, die Online-Unterricht besuchen. Ihre Lehrkräfte befinden sich zum Teil noch in der Ukraine.
Geflüchtete möchten gerne arbeiten
Der Drang, etwas zu tun, zu arbeiten ist bei vielen Geflüchteten groß: Suleymanova vermisst ihren Job in Dnipro, der sie an viele Orte weltweit brachte. Dennoch: „Ich will einfach nur nach Hause“, sagt sie. Jetzt zwingt sie der Krieg in der Ukraine, in Frankfurt zu sein und noch hat sie keine Arbeitsstelle. Sie sei nicht die Einzige, meint Gümbel, „die Frauen fragen jeden Tag, wann sie arbeiten können“. Jedenfalls hat Suleymanova sofort mit Online-Sprachkursen angefangen Deutsch zu lernen. Das erleichtert ihr die nächsten Schritte bei den Ämtern. Bei der Suche nach Arbeit. Beim Leben in einem Frankfurter Hotel, das für sie und viele andere die erste Unterkunft in Deutschland ist.