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In mehreren Kulturen zu Hause

Die Autorin Lena Gorelik kam als Kind mit ihrer Familie als „Kontingentflüchtling“ aus Russland nach Deutschland.

Sarah Kanning, 29.12.2015

Lena Gorelik

Die Generation zwischen den Generationen.

Bis Lena Gorelik bereit war, russischen Kartoffel­salat auf Partys mitzubringen, dauerte es Jahre. „Ich habe keine Freunde nach Hause eingeladen, weil meine Eltern mit Akzent sprachen. Ich habe im Zug keine russischen Bücher gelesen. Aber irgendwann habe ich begriffen, dass ich auch in mehreren Kulturen gleichzeitig zu Hause sein kann, und das war ein Augenblick der Integration“, sagt die Journalistin und Schriftstellerin.

Lena Gorelik nennt sich „eine Anderthalb“. Sie meint damit, dass sie sich nicht zur ersten Einwanderergeneration zugehörig fühlt. Diese würde – 
wie Goreliks Eltern – den Sinn der Flucht nicht hinterfragen und das Heimatland eher abwertend ­betrachten. Ihre Kinder wiederum, die zweite Generation, stellten die Entscheidung ihrer Eltern und den Heimatbegriff massiv infrage. Lena Gorelik schwebt irgendwo dazwischen. Sie war ein Kind, als sie mit ihrer jüdischen Familie 1992 vor dem aufkeimenden Antisemitismus in der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland floh. „Kontingentflüchtlinge“ wurden die Ankommenden genannt, auch wenn es für ihren Zuzug keine Obergrenze gab.

In der neuen Heimat drängte es Gorelik, sich Gehör zu verschaffen: Deutsche Journalistenschule in München, Osteuropastudien an der Uni. Inzwischen sind viele ihrer Werke inspiriert von den Weiten Russlands und vom Gefühl der Zerrissenheit. In „Sie können aber gut Deutsch!“ erklärt sie, warum Deutschland davon profitieren wird, Menschen mit Migrationshintergrund zuzugestehen, dass sie dazugehören und Teil der Gemeinschaft sind. Menschen wie ihr. ▪