„Diese Freundschaft zeigt: Es gibt für jeden Konflikt eine Lösung“
Vor 60 Jahren nahmen Israel und Deutschland diplomatische Beziehungen auf. Vier junge Menschen berichten, wie lebendig sie den Austausch erleben.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel sind einzigartig. Aus den Schrecken der Vergangenheit ist in den letzten 60 Jahren eine enge Partnerschaft gewachsen – getragen von Dialog, gegenseitigem Vertrauen und dem gemeinsamen Willen, Brücken zu bauen. Gleichzeitig fällt das Jubiläum in keine leichte Zeit. Zum Jahrestag der diplomatischen Beziehungen erzählen vier junge Menschen aus Deutschland und Israel, was diese besondere Verbindung für sie bedeutet – und wie sie dazu beitragen, sie lebendig zu halten.
Sofija Pavlenko, 25 Jahre, ist Masterstudentin der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie Global Studies in Wien. Zudem gibt sie Workshops vor allem an Schulen und moderiert politische sowie kulturelle Veranstaltungen.

„Ich bin in Deutschland geboren, habe selbst jüdische Wurzeln und Verwandte in Israel, so dass ich regelmäßig dort bin. Nach meinem Abitur habe ich dort in einem Freiwilligendienst mit Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen gearbeitet. Dabei konnte ich viele Freundschaften schließen. Freundschaft bedeutet für mich, dass man Verantwortung füreinander übernimmt. Das sollte auch zwischen Staaten der Fall sein. Israel und Deutschland eint eine Freundschaft mit allen Höhen und Tiefen. Ich finde, man könnte noch mehr Ehrlichkeit, Reflexion und konstruktive, gegenseitige Kritik wagen. Denn eine wahre Freundschaft hält länger und ist tiefgründiger, wenn man zwar verständnisvoll, aber dennoch stets ehrlich miteinander umgeht. Ich bin dankbar dafür, dass ich die Gelegenheit habe, immer wieder nach Israel zu reisen und fände es gut, wenn auch andere junge Menschen dies könnten. Bei meinen Workshops in Schulen merke ich oft, dass ein großer Mangel an Wissen über die Komplexität des Nahostkonflikts besteht. Hier, ebenso wie beim Thema Antisemitismus, müsste noch mehr Bildung angeboten werden.“
Jana Gerber, 24 Jahre, studiert Psychologie in Osnabrück.

„Für meine Bachelorarbeit habe ich mit jüdischen Menschen darüber gesprochen, wie sie den Anstieg des Antisemitismus nach dem 7. Oktober 2023 erlebt haben. Zuvor wusste ich relativ wenig über Israel, doch die Interviews haben mich motiviert, mich intensiver mit dem Land auseinanderzusetzen. Dann habe ich an einer Bildungsreise des Deutsch-Israelischen Zukunftsforums nach Israel teilgenommen. Die Menschen, die ich traf, öffneten ihre Herzen für eine Gruppe Fremder und freuten sich aufrichtig über unser Interesse. Die deutsch-israelische Freundschaft verkörpert für mich, dass ich mich für das Wohlergehen der israelischen Menschen einsetzte und ihnen zuhöre. Eine Freundschaft lebt vom Dialog, vom gegenseitigen Engagement und nicht von Idealisierung oder Monologen. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich der wahre Wert dieser Freundschaft. Besonders hier ist ein hohes Maß an Verständnis, Geduld und Feingefühl gefordert. Wir müssen mehr zuhören, verstehen und Solidarität zeigen, auch wenn die Situationen komplex sind.“
Dvir Aviam Ezra, 28 Jahre, ist in der Nähe von Tel Aviv geboren und lebt und arbeitet derzeit in Frankfurt am Main. Der Jurist promoviert am SAFE-Leibniz-Institut in Frankfurt am Main.

„Deutschland und Israel haben es vor dem Hintergrund der schrecklichen Gräueltaten der Shoah geschafft, sich zu versöhnen und einen Dialog anzuregen. Diese Freundschaft bedeutet, dass es für jeden Konflikt eine Lösung gibt und dass die Anerkennung der Verbrechen der Vergangenheit den Frieden nicht behindert, sondern ihn erleichtert. Heute erlebe ich diese Freundschaft täglich, indem ich mit meinen deutschen Kollegen zusammenarbeite, mit meinem deutschen Partner zusammen bin und in den Organisationen Peaceline und JEF Deutschland aktiv bin, die sich für Frieden und Einheit in Europa einsetzen. Als Israeli konzentriere ich mich auf die Bewahrung und Stärkung der pluralistischen und fortschrittlichen Identität Israels und setze mich für den regionalen Frieden ein. Außerdem bin ich im Sylke Tempel Fellowship aktiv. Indem wir dafür sorgen, dass Israel eine demokratische und offene Gesellschaft bleibt, können wir sicherstellen, dass es ein attraktives Ziel für den Austausch mit der deutschen Bevölkerung bleibt.“
Annika Finken, 28 Jahre, ist Referentin bei der Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum und betreut dort das Sylke-Tempel-Fellowship.

„Während meines Geschichtsstudiums in Berlin habe ich mich intensiv mit Israel befasst und davor auch ein Jahr in Jerusalem gelebt, was die Beziehung zu dem Land vertieft hat. Mich hat beeindruckt, wie aktiv und divers die Zivilgesellschaft in Israel ist. Nach dem 7. Oktober 2023 etwa haben sich spontan viele Organisationen zusammengeschlossen, um Soforthilfe zu leisten. Bei persönlichen Begegnungen auch im Rahmen meiner Arbeit beim Deutsch-Israelischen Zukunftsforum erlebe ich immer wieder, was wir voneinander lernen können, wie etwa in Fragen der gesellschaftlichen Resilienz, dem Umgang mit dem Klimawandel oder hinsichtlich des zivilgesellschaftlichen Engagements. Ich würde mir wünschen, dass es noch viel mehr Austausch zwischen jungen Deutschen und Israelis gibt, etwa auch für Azubis. Wir machen einen ersten Anlauf dazu mit unserem Projekt Brücken bauen für die Zukunft.“