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„Das Ende des Egoismus-Zeitalters“

Rückt die Welt nach der Corona-Krise zusammen oder wächst die Distanz? Lest hier, was Zukunftsforscher Ulrich Reinhardt dazu sagt.

Christina Iglhaut, 20.04.2020
Entscheiden wir nach der Corona-Krise öfter gemeinsam und global?
Entscheiden wir nach der Corona-Krise öfter gemeinsam und global? © picture alliance

Forschen wir in Zukunft noch öfter gemeinsam? Entscheiden wir nach der Corona-Pandemie globaler? Bleibt die Solidarität? Einschätzungen von Professor Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen.

Herr Professor Reinhardt, wird die Welt nach der Corona-Krise auch andere globale Themen wie den Klimawandel gemeinsam angehen?

Ich würde es mir wünschen! Zeigt eine globale Zusammenarbeit doch, welch großes Potenzial für alle möglich wäre. Alleingänge von einzelnen Staaten zahlen sich dagegen fast nie aus und helfen höchstes kurzfristig dabei, von internen Problemen abzulenken.

Die wichtigsten Voraussetzungen für eine bessere globale Zusammenarbeit wären für mich erstens langfristige Strategien zu entwickeln und weniger in Legislaturperioden und Quartalsberichten zu agieren. Und zweitens noch stärker auf wissenschaftliche Kompetenzen zu setzen. Gefordert ist hier  auch die Wissenschaft selbst, unabhängig Ergebnisse vorzustellen und diese offen zu diskutieren – oft wurden in der Vergangenheit Studien dafür genutzt, die jeweilig gewünschte Sichtweise zu bestätigen.

Wenn wir enger zusammenarbeiten würden, ließe sich die Lebensqualität aller Menschen nicht nur sichern, sondern sogar steigern.
Professor Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen

Wird nicht eher die Distanz größer? Das Coronavirus hat schließlich auch einige negative Folgen der engen globalen Vernetzung zutage gefördert.

Die Gefahr besteht und es könnte sich zudem auch mehr nationales Denken verbreiten. Fast alle Länder handeln derzeit in erster Linie für sich selbst, suchen nach individuellen Lösungen und der Wahrung nationaler Interessen. Dieses kann – gerade für westliche Länder – langfristig zum Problem werden. Unsere wirtschaftliche Stärke, aber auch unsere Werte und unsere Lebensqualität basieren auf Zusammenhalt, Kooperation, Meinungsaustausch, freiem Handel, gegenseitiger Hilfe und Unterstützung. All dieses gilt es – gerade in Krisen – zu schützen.

Glauben Sie, dass in der Corona-Krise Potenzial für zukünftig noch stärkere internationale Forschungskooperationen steckt?

Jede Krise ist gleichzeitig auch eine Chance auf Veränderung, Weiterentwicklung und damit Verbesserungen. Wir leben in einer globalen Welt und wenn Staaten, Unternehmen und Forschungseinrichtungen enger zusammenarbeiten würden, ließen sich perspektivisch der Lebensstandard und die Lebensqualität aller Menschen nicht nur sichern, sondern sogar steigern.

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Wir reden im Moment viel von Solidarität und Wir-Gefühl in der Krise – was wird davon bleiben?

Ich hoffe sehr viel. Die Menschen entdecken in der Krise die Vorteile von mehr Kontakten zu Nachbarn, Verwandten und Freunden – und sei dieses auch nur virtuell oder über den Gartenzaun. Das Ende des Zeitalters des Egoismus könnte daher eingeläutet werden und sich eine Renaissance der Familie und des sozialen Miteinanders abzeichnen. Dieses ist ohnehin genau das, was sich viele wünschen. So gaben bereits im vergangenen Jahr 88 Prozent der Deutschen an, dass für Egoismus in unserer Gesellschaft immer weniger Platz ist und wir wieder mehr zusammenhalten müssen. Die Krise könnte also bei aller Tragik und Dramatik auch eine Chance auf eine langfristige Verbesserung sein. Wichtig ist, positive Entwicklungen beizubehalten und aus Fehlern zu lernen.

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