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„Zeit wird so wertvoll wie Geld“

Die Welt nach Corona: Zukunftsforscher Opaschowski glaubt, unsere Gesellschaft wandelt sich grundlegend durch die Krise – zum Besseren.

Christina Iglhaut, 08.04.2020
Horst Opaschowski wagt einen Blick in das Leben nach Corona.
Horst Opaschowski wagt einen Blick in das Leben nach Corona.

Professor Horst Opaschowski wird unter anderem „Mr. Zukunft“ genannt. Der ehemalige Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen arbeitet heute als Berater von Politik und Wirtschaft. So sieht er Deutschland nach der Corona-Pandemie.

Herr Professor Opaschowski, das Land im April 2021 – wie wird es sich verändert haben?

Die erwartete Explosion an Lebensfreude und Konsumlust findet nicht statt. Wohl aber wächst die Zuversicht und das mitmenschliche Vertrauen. Familie und Nachbarschaft haben sich in Krisenzeiten bewährt. Das Bleib-zu-Hause-Gebot hatten die Menschen geduldig ertragen. Jetzt schaffen sie sich Luft – gefragt sind Sport und Open-Air-Konzerte, Tagesausflüge und Inlandsreisen. Moderat und zögernd, mehr bewusst erlebend. Zu spürbar sind noch die wirtschaftlichen Folgen von mehr Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit. Dennoch ist eine Art neue deutsche Besonnenheit angesagt: Einen kühlen Kopf bewahren und sich darauf besinnen, was wirklich wichtig im Leben ist. Gesundheit. Sicherheit. Geborgenheit.

Wird nach der Krise ein dauerhaftes Unsicherheitsgefühl zurückbleiben?

Wir werden dadurch eher mutiger und selbstbewusster. Für sich selbst sorgen zu können, um anderen nicht zur Last zu fallen, gewinnt an Bedeutung. Hinzu kommt aber auch die Erfahrung des Aufeinander-Angewiesen-Seins. „Wir müssen mehr zusammenhalten“ lautete das Krisen-Credo. Auch 2021 wird nicht frei von Krisen sein. Wir werden dadurch grundlegend umdenken: Ohne Gesundheit ist fast alles nichts wert. Zeit wird so wertvoll wie Geld.

Die Deutschen haben in der Krise das Internet als demokratisches Massenmedium entdeckt.
Horst Opaschowski, Zukunftsforscher

Was werden wir aus der Krise lernen?

Die Deutschen haben in der Krise das Internet als demokratisches Massenmedium entdeckt. Damit werden sie in naher Zukunft mehr Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Sie werden die digitalen Medien als neues Macht- und Kontrollinstrument zu nutzen wissen und es so schnell auch nicht wieder aus der Hand geben. Die Online-Demokratie hat für sie gerade erst begonnen.

Deutschland wird aktuell sowieso „durchdigitalisiert“. Die Krise hat die Digitalisierung in der Bevölkerung mehrheitsfähig gemacht, aber zugleich auch Defizite in der digitalen Infrastruktur aufgedeckt. Der digitale Schulunterricht steckte bisher oft noch in den Kinderschuhen.

Andererseits ist beruflich und privat eine geradezu exponentielle Entwicklung technologischer Neuerungen feststellbar. Die Wirtschaft öffnet sich für neue Digitalstrategien: Home Office, 3D-Druck, Big Data und Künstliche Intelligenz halten Einzug in die Betriebe. TV-Sender experimentieren vom Wohnzimmer aus mit interaktiven Streaming-Formaten. Videotelefonate in Pflegeheimen und Skypen zwischen Enkeln und Großeltern werden Normalität.

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