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Ein Meilenstein für das Völkerrecht

Deutschland gehört zu den größten Unterstützern des Internationalen Strafgerichtshofs und setzt sich für seine weitere Stärkung ein.

Friederike BauerFriederike Bauer, 14.09.2023
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag © picture alliance/dpa

Im Juli 2023 feierte der Internationale Strafgerichtshof Jubiläum: Vor 25 Jahren – am 17. Juli 1988 – wurde das Römische Statut verabschiedet, das die Arbeit des Strafgerichtshofs in Den Haag begründet. Das Gericht ist nicht Teil der Vereinten Nationen, sondern eine eigenständige Organisation, die für den Anspruch einer regelbasierten Weltordnung steht: Nicht Willkür und Gewalt bestimmen die internationalen Beziehungen, sondern Gesetze und Standards. Doch der Strafgerichtshof stößt immer wieder an Grenzen. Deutschland setzt sich deshalb in der weltweiten Staatengemeinschaft für seine Stärkung ein.

Wann wird der Internationale Strafgerichtshof tätig?

Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) ahndet die schlimmsten internationalen Verbrechen. Konkret sind das: Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und eingeschränkt auch der Straftatbestand der Aggression. Er ist ein Gericht der letzten Instanz, das heißt, er wird nur tätig, wenn nationale Gerichte nicht willens oder in der Lage sind, solche Verbrechen zu verfolgen.

Warum wurde Strafgerichtshof gegründet?

Mit dem Internationalen Strafgerichtshof beabsichtigte die Staatengemeinschaft, eine Lücke im Völkerrecht zu schließen und damit besonders schwere internationale Verbrechen zu ahnden. Diese waren häufig aufgrund von mangelndem Willen oder fehlender Zuständigkeit nicht verfolgt worden: Täter blieben unbehelligt und straffrei. Das wollte man ändern und hat deshalb 1998 eine diplomatische Konferenz in Rom einberufen. Nach zähen Verhandlungen einigte sie sich auf das Römische Statut, das am 1. Juli 2002 in Kraft trat. Die Verabschiedung des Statuts gilt als Durchbruch und als „Schlüsselmoment der Geschichte“, wie Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock es formulierte.

Wo liegen die Grenzen des Gerichts?

Der Strafgerichtshof ist zwar als universelle Instanz gedacht, bleibt hinter diesem Anspruch aber auch 25 Jahre nach seiner Gründung zurück. Das liegt zum einen an seinem immer noch limitierten Aktionsradius: Derzeit gibt es 123 Vertragsstaaten, den UN gehören aber 193 Länder an. Zu den Nichtmitgliedern zählen so mächtige Staaten wie die USA, Russland oder China. Außerdem ist der Strafgerichtshof auf die Mithilfe der Mitgliedstaaten angewiesen, denn er hat keine Polizeikräfte, kann einen Haftbefehl deshalb nicht selbst vollstrecken.

Im Frühjahr 2023 hat der Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Auf welcher Basis?

Putin wird, anders als vielleicht zu vermuten wäre, nicht wegen des Angriffs auf die Ukraine verfolgt, sondern wegen der Verschleppung von ukrainischen Kindern nach Russland. Der Vorwurf lautet „Kriegsverbrechen“. So lange der russische Präsident und die ebenfalls angeklagte Beauftragte für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belova, in Russland bleiben, müssen sie diesen Haftbefehl aber nicht fürchten. Dort kann der Internationale Strafgerichtshof sie nicht festnehmen. Wenn Putin das Land verlässt, könnte es dagegen sein, dass andere Staaten ihn nach Den Haag überstellen.

Wer wurde schon durch das Gericht verurteilt?

Der ICC hat bis August 2023 insgesamt 31 Fälle verhandelt, wobei es zum Teil mehr als eine Verdächtige oder einen Verdächtigen gab. Die Richter haben 40 Haftbefehle ausgestellt, davon sind 16 Menschen noch auf freiem Fuß. Zehn Angeklagte wurden verurteilt, vier freigesprochen. So verhängte der ICC 2019 zum Beispiel 30 Jahre Haft gegen den früheren Rebellenführer Bosco Ntaganda wegen zahlreicher Massaker im Osten des Kongos.

Außenministerin Baerbock im Januar 2023 in Den Haag
Außenministerin Baerbock im Januar 2023 in Den Haag © picture alliance/dpa

Welche Rolle spielt Deutschland beim Internationalen Strafgerichtshof?

Deutschland gehört zu den stärksten Unterstützern des ICC. Der deutsche Verhandlungsführer bei den Verhandlungen 1998 in Rom, Hans-Peter Kaul, war im Namen der Bundesregierung einer der entscheidenden Treiber des Projekts. Er wurde später der erste deutsche Richter in Den Haag. Zudem ist Deutschland nach Japan der größte Beitragszahler für den ICC.

Welche Reformen strebt Deutschland an?

Deutschland möchte beim ICC den Straftatbestand der Aggression weiter entwickeln. Im römischen Statut war er zwar aufgenommen worden, aber nur als Leerstelle. Im Jahr 2010 wurde das Statut entsprechend ergänzt. Seither kann der ICC dieses Verbrechen zwar verfolgen, allerdings nur, wenn sowohl Opfer- als auch Angreiferstaat diese Ergänzung ratifiziert haben. Das galt im Jahr 2023 aber nur für 45 Staaten, entsprechend schwer ist es für den ICC, hier aktiv zu werden.

Deshalb schlägt Deutschland für 2025 vor, das Statut nochmal so zu ändern, dass es ausreicht, wenn der Opferstaat unter die Jurisdiktion des ICC fällt. Generell tritt die Bundesregierung für eine regelbasierte internationale Ordnung ein und betrachtet den Internationalen Strafgerichtshof als wichtigen Teil davon.

Wo verbüßen vom ICC Verurteilte ihre Strafe?

In rund drei Kilometern Entfernung vom Gerichtshof liegt die United Nations Detention Unit mit 84 Einzelzellen. Dort werden Angeklagte von ihrer Überstellung an das Gericht während des Verfahrens bis zum Urteil in Haft genommen. Rechtskräftige Freiheitsstrafen werden in Gefängnissen von europäischen Vertragsstaaten verbüßt, die sich bereiterklärt haben, Verurteilte aufzunehmen. Der ICC wählt bei der Urteilssprechung aus einer Liste von Staaten ein geeignetes Land aus. Deutschland unterstützt die Arbeit des ICC auch durch die Aufnahme Verurteilter zur Verbüßung ihrer Strafe.