Engagement gegen Hunger
Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Lebensmittelkrise trifft viele Menschen in Afrika schwer. Was Deutschland im Kampf gegen den Hunger tut.
Während der Ausgang von Putins Krieg in der Ukraine vermutlich noch lange nicht feststeht, sind dessen unzählige Verlierer bereits bekannt. Der ukrainischen Zivilbevölkerung, die von russischen Bomben oder Exekutionskommandos terrorisiert wird, den russischen Familien, die ihre Söhne im Nachbarland verlieren, aber auch Millionen von Menschen in aller Welt können die Folgen des Angriffskrieges zum Verhängnis werden. Nach den verheerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie hat der Überfall auf die Ukraine die Weltwirtschaft in eine noch tiefere Krise gestürzt: Die Preise für Treibstoff schießen in die Höhe, der Preis für Grundnahrungsmittel wie Speiseöl und Weizen hat sich verdoppelt, der vor allem in Russland hergestellte Dünger wird knapp.
Russland und die Ukraine sind als „Europas Kornkammer“ bekannt: Von dort stammt der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) zufolge mehr als die Hälfte allen Sonnenblumenöls der Welt und fast ein Viertel des Weizens. Auf das Getreide sind vor allem Staaten im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika angewiesen: Dort importieren laut UNCTAD 25 Länder jährlich Weizen im Wert von fast zwei Milliarden US-Dollar. Der Kollaps der ukrainischen Landwirtschaft und die Wirtschaftssanktionen gegen Russland haben so zu einer dramatischen Verknappung und Verteuerung der Grundnahrungsmittel von Millionen Menschen in Afrika geführt: Sie müssen für Weizen bis zu 90 Prozent, ihre Farmer für Dünger mehr als 60 Prozent mehr Geld bezahlen. UN-Generalsekretär António Guterres sieht einen „Hurrikan des Hungers“ voraus.
Betroffen sind vor allem die Ärmsten der Armen, die den Preisanstieg nicht mit Sparsamkeit an anderen Stellen abfedern können. Hilfsorganisationen wie das UN-Welternährungsprogramm WFP haben ihrerseits Schwierigkeiten, ihre Lager aufzufüllen – oder müssen dafür maßlos erhöhte Preise bezahlen.
Wie Deutschland hilft
Die sich anbahnende Hungerkatastrophe, die etwa in Ostafrika von den Folgen der Klimakrise zusätzlich verschlimmert wird, hat die deutsche Bundesregierung auf den Plan gerufen: Sowohl Bundesaußenministerin Annalena Baerbock als auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir kündigten eine Aufstockung der deutschen Zahlungen für das WFP um 200 Millionen Euro an.
Als Weizenexporteur könne Deutschland die Kornkammer Europas allerdings nicht ersetzen, räumt Özdemir ein: „Man muss die Grenzen des Machbaren sehen.“ Dafür rief der Agrarminister die Bevölkerung zu reduziertem Fleischkonsum auf: Denn in Deutschland wird 60 Prozent des Getreides an Tiere verfüttert, mit den 25 Millionen Tonnen könnte die Hälfte des jährlichen WFP-Bedarfs abgedeckt werden.
Verbesserung der Agrarwirtschaft
Dass plötzlich alle Deutschen zu Vegetariern werden, ist nicht zu erwarten, weswegen sich die Antwort der Bundesregierung auf die Lebensmittelkrise auch nicht auf Deutschland beschränkt. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betreibt vor allem mit afrikanischen Partnerländern seit vielen Jahren das „Programm zur Ernährungssicherung und Resilienzstärkung“, das jetzt noch ausgeweitet wurde: Mittlerweile unterstützt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) dieses Programm mit jährlich mehr als einer Milliarde Euro. Ziel des deutschen Engagements ist es, die Ernährungslage labiler Staaten durch Verbesserungen in deren Agrarwirtschaft zu stärken.
Das kann durch die Entwicklung neuer Flächen, durch die Rettung überbeanspruchter Anbaugebiete oder die Steigerung der Produktivität durch nachhaltige Agrartechnologie geschehen. Jeder Euro, der für die Verbesserung der Landwirtschaft ausgegeben wird, haben Fachleute errechnet, vermeidet im Durchschnitt drei Euro Nothilfe.
In ihrem Bemühen, der bedrohlichen Lebensmittelkrise etwas entgegenzusetzen, wird die Bundesregierung auch von privaten Initiativen unterstützt – allen voran dem Bündnis „Aktion Deutschland Hilft“, dem mehr als 20 private Hilfsorganisationen angehören. Seine 2.400 Projekte in 130 Ländern sind sowohl auf akute Nothilfe wie auf langfristige Ernährungssicherheit ausgerichtet: Allein in Ostafrika sind derzeit 23 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen.
Aus dem derzeitigen Notstand sind auch Lehren für die weltweite Agrarwirtschaft zu ziehen. Dass sich vor allem labile Staaten verstärkt um ihre Landwirtschaft kümmern sollten, dass sie schonend mit ihren Böden und Pflanzenarten umgehen, damit diese auch späteren Generationen noch zur Verfügung stehen, und dass sie sich auf die Folgen der Klimaerhitzung vorbereiten.