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„Friedensarbeit ist eine Schnecke“

Als OSZE-Beobachterin in der Ukraine: Herta Eckert erzählt, wie der Friede nach Luhansk zurückkehrt.

04.10.2019
Herta Eckert auf der Brücke Stanytsia Luhanska.
Herta Eckert auf der Brücke Stanytsia Luhanska. © OSCE

„Mein Einsatz als Monitoring Officer der OSZE in der Ukraine begann im März 2015 mit einer Fahrt von Kiew in den umkämpften Osten des Landes. Als wir damals mit unseren gepanzerten Fahrzeugen die Frontlinie überquerten und wenig später in Luhansk ankamen, war mein erster Eindruck: So schlimm sieht es hier ja gar nicht aus, in den Straßen herrscht normales Leben.

Doch ich habe schnell gemerkt, dass das nicht ganz stimmt. Im Vergleich zu vor dem Konflikt waren die Straßen sehr leer, auch die Regale in den Geschäften; man sah wenige Familien mit Kindern. Damals hat man noch oft die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Regierungstruppen und den Nichtregierungseinheiten gehört. Die Frontlinie verläuft heute wenige Kilometer außerhalb von Luhansk, die Stadt selbst ist in der Hand der Nichtregierungskräfte.

Zu meinen Hauptaufgaben gehört es, Verstöße gegen Waffenstillstandsabkommen zu dokumentieren und, wenn es zu Schäden an der Infrastruktur gekommen ist, dafür zu sorgen, dass zum Beispiel Wasser- oder Stromleitungen wieder repariert werden. Dafür sind wir oft an der Frontlinie aber auch im Hinterland auf beiden Seiten unterwegs. Wir sind dabei immer unbewaffnet. Zwar ist die allgemeine Lage heute viel besser als 2015, aber es sind auch jetzt noch immer wieder zivile Opfer zu beklagen, oft durch Minen.

Friedensarbeit ist eine Schnecke. Aber auch eine Schnecke bewegt sich.
OSZE-Beobachterin Herta Eckert

Friedensarbeit ist eine Schnecke, und es ist oft frustrierend, wie langsam sich die Dinge ändern. Aber auch eine Schnecke bewegt sich. In Luhansk gibt es zum Beispiel eine Brücke, die 2015 zerstört wurde. Die einzige Verbindung, die von der Regierungs- auf die Nichtregierungsseite führt, können die Menschen seither nur noch zu Fuß über provisorische Holzrampen überqueren. Das ist vor allem für ältere und körperlich eingeschränkte Menschen sehr beschwerlich.

Dabei haben viele Menschen Familie und Freunde auf beiden Seiten der Frontlinie. Vor kurzem wurde nach jahrelangen Verhandlungen das Gebiet rund um die Brücke auf beiden Seiten entwaffnet, und nun beginnt langsam der Wiederaufbau der Brücke. Es ist sehr berührend, das mitzuerleben.

Ich arbeite seit mehr als 20 Jahren für verschiedene Organisationen in der Friedensarbeit. Angefangen habe ich in den 1990er-Jahren in Bosnien-Herzegowina. Was ich in der ganzen Zeit gelernt habe ist: Menschen überall auf der Welt wollen Sicherheit haben und eine Zukunft für ihre Kinder. Der Kontakt zu den Menschen ist das Schönste an meiner Arbeit; wenn diese sagen: Gut, dass ihr hier seid.

Für mich bedeutet Frieden Menschlichkeit – und die bringen wir mit. Hier an der Frontlinie haben wir schon kurz nach meiner Ankunft ein sechsjähriges Mädchen kennengelernt, das bei seinen Großeltern lebte und das wir immer mal wieder „besucht“ haben, wenn es unser Patrouillenplan zuließ. Heute geht Sonja auf ein Internat in Luhansk. Zu meinen Kollegen habe ich gesagt: Wer weiß, vielleicht wird dieses kleine Mädchen einmal Präsidentin seines Landes und erinnert sich dann an die OSZE.“

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