Zum Hauptinhalt springen

Gemeinsam Geschichte weiterschreiben

Die Ausstellung „Shared History“ des Leo Baeck Institute New York macht 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland erlebbar.

Stephan Hermsen, 26.01.2021
Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble besucht „Shared History“.
Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble besucht „Shared History“. © Deutscher Bundestag / Simone M. Neumann

Vom Menora-Ring über ein Gemälde von Gustav Klimt bis hin zur „Simson-Schwalbe“, einem Motorrad aus DDR-Produktion – diese Exponate werden gezeigt in der Shared History Ausstellung des Leo-Baeck-Instituts mit Sitz in New York, das seit 2013 auch am Jüdischen Museum in Berlin eine Dependance in Deutschland hat. 58 Objekte wurden für die Ausstellung ausgewählt, um die 1700-jährige Geschichte jüdischen Lebens im deutschsprachigen Raum zu dokumentieren und zu repräsentieren. Ausgesucht von Historikern und Museumspädagogen, gefunden in Archiven, Museen, Bibliotheken und gestiftet von Privatleuten, zeigen die Exponate die geteilte Geschichte des Judentums in Deutschland.

Vor allem virtuell wird die Ausstellung erlebbar sein, die die Glanzzeiten jüdischen Lebens genauso wie Zeugnisse von Verfolgung und Vernichtung einschließt: Woche für Woche wird ein Objekt in Bildern, Texten, Filmen und virtuellen Rundgängen vorgestellt. In der Woche um den 9. November herum, dem Tag, an dem sich die Judenpogrome des Nationalsozialismus jähren, wird täglich ein Objekt aus der Zeit der Judenverfolgung und des Holocausts vorgestellt.

Eröffnung im Deutschen Bundestag und virtuelle Ausstellung

An einem geschichtsträchtigen Tag findet auch die Eröffnung der Ausstellung im Abgeordnetengebäude des Deutschen Bundestages statt: am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, dem Gedenktag für die Opfer des Holocaust. Zugänglich ist die Ausstellung – coronabedingt – zunächst nur für die Abgeordneten und Beschäftigten des Deutschen Bundestages.

Deutscher Bundestag
© Deutscher Bundestag/ Julia Nowak / JUNOPHOTO

Doch auch die virtuelle Ausstellung ermöglicht eine intensive Beschäftigung mit der geteilten – oder gemeinsamen – Geschichte des deutschsprachigen Judentums. Die „Gründungsurkunde“ ist das Edikt des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahre 321, das den Juden in Köln das Recht und die Pflicht gleichermaßen auferlegte, Mitglieder des Stadtrates zu werden. Was nach Gleichberechtigung klingt, hatte zugleich zur Folge, dass Juden mehr Auf- und Abgaben zu leisten hatten. Dies belegt aber auch, dass sie es zu diesem Zeitpunkt bereits zu Ansehen und Vermögen gebracht hatten.

Dieses YouTube-Video kann in einem neuen Tab abgespielt werden

YouTube öffnen

Inhalte Dritter

Wir verwenden YouTube, um Inhalte einzubetten, die möglicherweise Daten über deine Aktivitäten erfassen. Bitte überprüfe die Details und akzeptiere den Dienst, um diesen Inhalt anzuzeigen.

Einverständniserklärung öffnen

Piwik is not available or is blocked. Please check your adblocker settings.

Dr. Miriam Bistrovic, die die Berliner Dependance des Leo Baeck Institute seit dessen Gründung im Jahr 2013 leitet, hat unter den 58 Objekten auch einige Lieblingsstücke. So hat sie zu der in Trier gefundenen Öllampe mit Menora eine Kurzbiografie ihres Entdeckers, des Rabbiners Adolf Altmann, beigesteuert, der den Ring vor rund 100 Jahren fand. Er ist damit ein Beleg dafür, dass es auch in Trier bereits im dritten oder vierten nachchristlichen Jahrhundert eine jüdische Bevölkerung gab.

Es ist ein neues, lebendiges, vielfältiges, anderes Judentum, das seitdem wieder entstanden ist.
Miriam Bistrovic, Berliner Repräsentantin des Leo Baeck Institute

Dass der Holocaust einen besonderen Schwerpunkt in der Geschichte der Ausstellung einnimmt, versteht sich von selbst. Leo Baeck, liberaler jüdischer Rabbiner und Gelehrter und ab 1933 Präsident der Reichsvertretung der Deutschen Juden und später ins KZ deportiert, hatte 1945 gesagt: „Die Epoche der Juden in Deutschland ist ein für alle Mal vorbei.“

Die Arbeit des nach ihm benannten Instituts in Berlin sieht Miriam Bistrovic nicht als Widerspruch: „Ging es danach wirklich weiter mit der gemeinsamen Geschichte?“ fragt sie. Ihre Antwort lautet: „Es ist ein neues, lebendiges, vielfältiges, anderes Judentum, das seitdem wieder entstanden ist.“ Und man müsse leider feststellen, dass es auch heute wieder bedroht und gefährdet sei. Die Ausstellung „Shared History“ jedoch – sie ist nicht nur ein Zeichen dafür, dass die gemeinsame Geschichte nicht vergessen werden darf, sondern auch dafür, dass sie weitergeschrieben werden kann.

Ihr könnt die Ausstellung ab Ende Februar auch im 3D-Museum erkunden.
Ihr könnt die Ausstellung ab Ende Februar auch im 3D-Museum erkunden. © Leo Beack Institute New York Berlin