Ausbildung in Deutschland: „Ich lebe meinen Traum“
Muskelkater, Deutschlernen und Abenteuer: Drei junge Menschen aus Asien erzählen von ihren Erlebnissen als Auszubildende in Deutschland.

Kana Horisawa, 32 Jahre alt, aus Japan, Ausbildung zur Fleischerin in Leipzig
„Wenn ich mich mit drei Wörtern beschreiben müsste, würde ich sagen: kreativ, abenteuerlustig, Würstchenliebhaberin. Das mag komisch klingen, aber seit ich denken kann, liebe ich Wurst. Meine Heimat Japan mag bekannt für exzellentes Sushi sein, aber richtig gute Wurst gibt es eher in Deutschland. Schon lange träumte ich deshalb davon, einmal nach Deutschland zu reisen. Zunächst arbeitete ich aber mehr als acht Jahre lang in Miyagi in einem Copy-Shop. Glücklich war ich nicht. Die viele Zeit am Bildschirm strengte mich an, mir fehlte das praktische Arbeiten. Während der Pandemie kaufte ich mir deshalb eine gebrauchte Wurstmaschine und sah mir auf YouTube an, wie man Wurst herstellt. Meine ersten Kreationen schmeckten noch recht fad, aber ich wurde schnell besser. Trotzdem hätte ich nie gedacht, dass ich mein neues Hobby einmal zum Beruf machen würde.
Als ich 2023 nach Deutschland reiste, wollte ich nur etwas Urlaub machen. Aber in Leipzig wurde ich Teil einer japanischen Community und fühlte mich so wohl, dass ich bleiben wollte. Viele meiner neuen Freunde hatten hier eine Ausbildung gemacht – also ging ich persönlich bei einigen Metzgereien vorbei und fragte, ob sie Azubis bräuchten. Mein heutiger Chef war zwar zuerst sehr überrascht, aber lud mich dennoch zum Probearbeiten ein. Das lief so gut, dass ich meinen Job in Japan kündigen und im Sommer 2024 offiziell meine Ausbildung zur Fleischerin in Leipzig beginnen konnte. Jeden Tag stehe ich um drei Uhr morgens auf, danach bin ich damit beschäftigt, Fleisch zu zerteilen, zu hacken, zu würzen. Große Stücke wiegen gern mal 15 Kilo. Nach Feierabend hatte ich deshalb gerade in der Anfangszeit oft Muskelkater. Abends lerne ich immer noch mehrere Stunden Deutsch.
Ich weiß, dass ich hier als Fleischerin eine echte Zukunft habe!
Die Ausbildung bringt mich an meine körperlichen und mentalen Grenzen – aber ich lebe meinen Traum. Am meisten Spaß macht es mir immer noch, in meiner Küche neue Wurstsorten zu entwickeln. Dabei experimentiere ich gerne mit japanischen Gewürzen wie Miso, Seetang oder Shiso-Blättern. Das ist eine richtige deutsch-japanische Wurstfusion! In der Ausbildung lerne ich außerdem, wie man Fleisch richtig teilt, zubereitet und verkauft. Meine Arbeit ist so abwechslungsreich! Umso mehr erstaunt mich, wie wenige junge Menschen in Deutschland ins Fleischerhandwerk gehen wollen. Jedes Jahr bleiben Tausende Lehrstellen unbesetzt. Dabei lieben die Deutschen doch ihre Wurst! Ich weiß also, wie gefragt ich auf dem Arbeitsmarkt bin – und dass ich hier als Fleischerin eine echte Zukunft habe!“

Ho Nhut Khanh, 22 Jahre alt, aus Vietnam, Fachkraft für Metalltechnik in der Spezialisierung Zerspanungsmechanik in Beilngries
„Es war definitiv eine der besten Entscheidungen meines Lebens, mich für das PAM-Programm zu bewerben. Das Projekt bietet jungen Menschen in meiner Heimat Vietnam die Möglichkeit, eine Ausbildung in Zerspanungsmechanik nach deutschem Vorbild zu absolvieren und danach als qualifizierte Fachkraft nach Deutschland zu kommen. Zerspanungsmechaniker stellen durch Drehen, Fräsen, Bohren oder Schleifen präzise Bauteile aus Metall oder Kunststoff her. Ich habe durch Zufall über die Webseite meiner Schule in Vietnam von dem Projekt erfahren und war sofort begeistert: Einerseits lockte mich das Abenteuer, in einem fremden Land zu leben, andererseits reizte mich Deutschland wegen seiner fairen Arbeitsbedingungen und guten Gehälter. Mich überzeugte außerdem, dass das Programm komplett kostenlos ist, selbst die Flugkosten werden übernommen.
Mit hohen Erwartungen bewarb ich mich also für das Programm – und wurde nicht enttäuscht. Schon meine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker in Vietnam war ein voller Erfolg. Während im vietnamesischen Ausbildungsmodell das theoretische Wissen im Vordergrund steht, ging es während meiner Ausbildung nach deutschem Modell von Anfang an um das praktische Arbeiten. Ich lernte, wie man Metall verarbeitet, Fräs- und Schleifmaschinen kalibriert und Bauteile für Motoren oder Maschinen herstellt. Der technische Aspekt und das präzise Arbeiten gefallen mir am besten.
PAM: Partnerschaften für faire Migration
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) fördert mit dem Projekt PAM faire und reguläre Ausbildungs- und Arbeitsmigration, von der alle Seiten profitieren: Deutschland, seine Kooperationsländer und die Auszubildenden und Fachkräfte selbst. PAM steht für „Partnerschaften für entwicklungsorientierte Ausbildungs- und Arbeitsmigration“. Das Projekt ist in Vietnam, Jordanien und Ecuador aktiv. Beauftragt hat das Projekt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Vorsicht vor unseriösen Angeboten
Leider gibt es – vor allem in den sozialen Medien – viele zweifelhafte Angebote zur Vermittlung von Fachkräften. Sie beinhalten oft versteckte Kosten und machen unrealistische Versprechungen. „Make it in Germany“ hat Informationen zusammengestellt, die dabei helfen, vertrauenswürdige Anbieter zu erkennen.
Im Rahmen des PAM-Programms besuchte ich neben dem Deutschunterricht außerdem einen Kurs, der uns auf das Leben in Deutschland vorbereitete. Darin lernte ich etwa, wie man in Deutschland richtig Müll trennt. Im Nachhinein bin ich für diese Vorbereitung sehr dankbar – ich wäre sonst sicher in ein paar kulturelle Fettnäpfchen getreten. So aber kam ich im April 2024 in Beilngries in Bayern an und fühlte mich direkt wohl. Ich arbeite hier als ausgebildete Fachkraft bei einem Maschinenbauer in der Automobil- und Luftfahrtindustrie. Das Betriebsklima ist super und meine Kollegen helfen mir immer weiter, wenn ich etwas nicht verstehe. Auch sonst bin ich richtig in Deutschland angekommen.
Ich schätze besonders, wie sicher und ruhig es hier ist. Nach der Arbeit mache ich oft einen Ausflug auf den Hirschberg bei mir um die Ecke – diese alpine Landschaft ist ganz anders als in Vietnam und der Ausblick vom Berggipfel einfach unbeschreiblich. Wenn ich nicht wandere, spiele ich Badminton im Verein. Dort habe ich auch meine neuen bayerischen Freunde kennengelernt. Inzwischen habe ich sogar ein bisschen was von ihrem Dialekt übernommen. Kurzum: In Deutschland geht es mir super! Nur meine Mutter und Schwester fehlen mir sehr – ich hoffe, dass sie eines Tages auch nach Deutschland kommen können!“

Wasim Chowdhary, 29 Jahre alt, aus Indien, Ausbildung zum Straßenbauer
„Meine größte Leidenschaft ist das Bauen. Mich hat es schon immer unheimlich fasziniert, wie aus dem Nichts mit ausreichend Material und der richtigen Technik ganze Straßen und Gebäude entstehen können. Für mich war deshalb klar: ich will Bauingenieur werden. Ich habe mein Abitur in der Nähe von Kashmir in Nordindien gemacht, dort studiert und später auch einen guten Job gefunden. Inhaltlich mochte ich meine Arbeit – trotzdem begann ich zu zweifeln. Manchmal verbrachte ich 18 Stunden am Tag auf der Baustelle oder im Büro, oft arbeitete ich am Wochenende. Bezahlte Krankheits- oder Urlaubstage gab es nur wenige. Ich hatte kaum noch Zeit für Familie oder Hobbies – und gleichzeitig das Gefühl, mehr aus meinem Leben machen zu wollen.
Ich habe mich informiert und bin auf eine indische Personalagentur gestoßen, die gemeinsam mit der Handwerkskammer Ulm die Möglichkeit anbietet, einen Handwerksberuf in Deutschland zu erlernen. Das klang spannend! Zudem hatte ich schon viel Positives vom dualen Ausbildungssystem in Deutschland und der Qualität der Bauindustrie gehört. Ich bewarb mich also für eine Lehre als Straßenbauer, begann direkt im Anschluss Deutsch zu lernen – und begann im Oktober 2024 meine Ausbildung in Tettnang im Bodenseekreis. Die Handwerkskammer half mir bei der Wohnungssuche und bei Fragen, sodass ich mich vom ersten Tag an wohlfühlte.
Ich liebe diese Friedlichkeit in Deutschland!
In Indien ist es immer laut und voll, Deutschland ist vergleichsweise ruhig. Ich liebe diese Friedlichkeit. Außerdem gefallen mir die deutschen Feste sehr gut: Gerade an Weihnachten oder Fasching herrscht eine ganz besondere Stimmung! Ich schätze es sehr, dass ich geregelte Arbeitszeiten und genügend Freizeit habe – aber manchmal würde ich gern noch mehr arbeiten, um noch mehr zu lernen! Selbst als studierter Ingenieur fühle ich mich in der Ausbildung nicht unterfordert. Mathematik und Theorieunterricht fallen mir zwar leicht, aber das Praktische unterscheidet sich doch sehr von dem, was ich in Indien gemacht habe. Ich lerne das Bauen nochmal von der Pike auf und entwickle ein tieferes Verständnis für mein Handwerk. Ich will mich in die Ausbildung richtig reinhängen und irgendwann meinen Meister machen. Wo? Natürlich auch in Deutschland!“