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„Das Land passt gut zu mir“

Warum studieren und forschen Deutsche in Frankreich – und andersherum? Drei Studentinnen erklären zum Deutsch-Französischen Tag, was sie am Nachbarland reizt.

Marlene Thiele, 21.01.2020
Eve-Gaëlle studiert Lehramt – zweisprachig.
Eve-Gaëlle studiert Lehramt – zweisprachig.

Deutschland und Frankreich sind nicht nur befreundete Nationen, sie sind heute enge Partner auf allen Gebieten, das gilt für die Zivilgesellschaft, die Politik und auch für die Verteidigung. Das war nicht immer so, über Generationen waren die Nachbarn verfeindet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs legten Konrad Adenauer und Charles de Gaulle am 22. Januar 1963 den Grundstein für die deutsch-französische Freundschaft mit der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags.

Das geeinte Europa ruht auch auf dem Fundament eines stabilen deutsch-französischen Miteinanders. Inzwischen ist daraus eine enge Freundschaft geworden – auch jenseits der Politik. Ein Beispiel ist die Deutsch-Französische Hochschule (DFH), die 1997 von beiden Ländern gegründet wurde, um deutsch-französische Studiengänge einzurichten, zu evaluieren und finanziell zu fördern.

Inzwischen gibt es die Programme an 194 Universitäten und Hochschulen. 6.400 Studierende und 350 Doktoranden nehmen aktuell daran teil. Drei von ihnen erzählen anlässlich des Deutsch-Französischen Tags, was das jeweils andere Land für sie bedeutet.

Eva Feig, 43, absolviert eine deutsch-französische Doppelpromotion

„Die deutsch-französische Freundschaft ist unglaublich wichtig, deshalb darf man sich nicht darauf ausruhen, sondern muss dafür arbeiten. Ich bemerke, dass gerade die Nachkriegsgeneration oft vorsichtig mit dem Nachbarn umgeht und aufpasst, keine Stereotype zu verbreiten. Gerade bei Schülerinnen und Schülern und jungen Erwachsenen sehe ich jedoch oft Desinteresse, alte Vorurteile und auch eine gewisse Arroganz auf beiden Seiten. Deshalb muss der aktive Austausch gefördert werden und die jeweils andere Sprache schon im Kindergartenalter unterrichtet werden.

Die jeweils andere Sprache sollte schon im Kindergartenalter unterrichtet werden.
Eva Feig, Doktorandin

Mit diesem aktiven Austausch beschäftige ich mich in meinem Doppeldoktorat zwischen der Universität Straßburg und der Universität Koblenz-Landau. Ich schreibe über die Vermittlung sprachlicher und interkultureller Kompetenzen in deutsch-französischen Krippen, untersuche also, wie man schon den Allerkleinsten beibringt, sich in beiden Kulturkreisen richtig zu verhalten und zu verständigen. Die Doktorandenstelle wird zu 50 Prozent von der Deutsch-Französischen Hochschule finanziert.

Ich selbst habe einen bunten Hintergrund, meine Mutter ist Deutsche, mein Vater ist ungarisch-französisch. Ich bin in Ungarn geboren, habe auf den Kanarischen Inseln, in Österreich, Spanien, Frankreich und Deutschland gelebt. Das war mir wichtig, denn um ein Land zu verstehen, muss man wirklich längere Zeit dort gelebt haben.“

Eva Feig forscht über Vermittlung kultureller Kompetenzen in Kindergärten.
Eva Feig forscht über Vermittlung kultureller Kompetenzen in Kindergärten. © Porträt schafgans dgph

Eve-Gaëlle, 20, belegt einen integrierten Bachelorstudiengang für Lehramt

„Ich komme ursprünglich aus Südfrankreich, da hat man eigentlich keinen Kontakt zur deutschen Sprache. Mit zehn Jahren war ich dann aber so gut in der Schule, dass ich in eine ,classe binationale‘ gekommen bin, eine Klasse mit sehr hohem Lernniveau. Dort habe ich Deutsch gelernt. So richtig in die Sprache verliebt habe ich mich bei einem dreimonatigen Schüleraustausch in Tübingen. Es gibt so viele deutsche Wörter, die mir im Französischen fehlen! Deutschland ist so schön, so grün und die Leute sind offen und freundlich. Seitdem will ich unbedingt langfristig in Deutschland leben. Ich glaube, das Land passt gut zu mir.

Es gibt so viele deutsche Wörter, die mir im Französischen fehlen.
Eve-Gaëlle, Studentin

Aktuell lebe bin ich auch dort. Ich studiere im dritten Semester auf Lehramt, in einem integrierten Bachelorstudiengang, der von den Universitäten in Nizza und Freiburg gemeinsam angeboten wird. Die Deutsch-Französische Hochschule organisiert das Programm und bietet Stipendien für uns Studierende an. Die deutsch-französische Freundschaft ist wichtig, wir müssen unbedingt daran festhalten. Aber ich bin optimistisch: Die meisten Menschen, die ich kenne, haben ein gutes Bild von Deutschland.“

Eve-Gaëlle studiert Lehramt – zweisprachig.
Eve-Gaëlle studiert Lehramt – zweisprachig.

Mara, 24, studiert im deutsch-französischen Doppelmaster Internationale Wirtschaftsbeziehungen

„Das Gymnasium, das ich in Berlin besucht habe, war ursprünglich eine Schule der französischen Alliierten. Daher pflegt es bis heute eine besondere Beziehung zu Frankreich. Im Abitur wählte ich Französisch als Leistungskurs, studierte dann allerdings deutsche Sprachwissenschaft und Italienisch als Bachelor und konnte die französische Sprache eine ganze Weile nicht benutzen. Das fand ich sehr schade. Deswegen war für mich klar, dass ich im Masterstudium auf jeden Fall zeitweise in Frankreich leben möchte.

Mir gefällt, dass Zugehörigkeit in Frankreich anders definiert wird als in Deutschland.
Mara, Studentin

Jetzt studiere ich den deutsch-französischen Doppelmaster Internationale Wirtschaftsbeziehungen. Ich habe ein Jahr in Freiburg studiert und bin dann für mein zweites Masterjahr nach Paris gezogen. Dort absolvierte ich im dritten Semester ein Praktikum in der Kulturabteilung der Deutschen Botschaft und beginne nun ein normales Semester an der Paris XII. Danach schreibe ich ebenfalls hier meine Masterarbeit.

Ursprünglich fand ich vor allem die französische Sprache interessant, doch seit ich in Frankreich lebe, wächst auch mein Interesse an dem Land selbst. Mir gefällt, dass Zugehörigkeit hier anders definiert wird als in Deutschland. Jeder, der hier geboren wird, sieht sich als Franzose und ist stolz darauf. Auch das Sozialsystem Frankreichs finde ich gut. Ich könnte mir vorstellen, langfristig hier zu leben.“