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Deutscher Buchpreis für Bodo Kirchhoff

Bodo Kirchhoff erhält den Deutschen Buchpreis für seinen Roman "Widerfahrnis".

18.10.2016
© dpa/Frank Rumpenhorst - Bodo Kirchhoff

Frankfurt/Main (dpa) - Bodo Kirchhoff, seit langem in Frankfurt lebend, ist auch Fan der örtlichen Eintracht - und abergläubisch. Am Samstag trotzte sein Fußballverein den BAYERN aus München wider Erwarten ein Unentschieden ab - und Kirchhoff hielt nun alles für möglich. «Es ist für mich wunderbar, dass ich hier stehen kann», sagt er am Montagabend im Frankfurter Rathaus, als er für den Deutschen Buchpreis die Siegerurkunde erhält.

Ganz überraschend kann die Auszeichnung für Kirchhoff nicht gekommen sein, da er gut vorbereitet ist und die längste Rede aller Preisträger der vergangenen elf Jahre hält. Sein Roman «Widerfahrnis» gehörte zu den Top-Favoriten unter den verbliebenen sechs Titeln im Finale.

Auch im neuen Buch geht es um Kirchhoffs große Themen der vergangenen Jahre: Die Liebe und das Alter. Doch anders als sonst - der 68-Jährige neigt zu Wälzern - handelt er sie diesmal in einem als Novelle charakterisierten schmalen Band ab.

In «Widerfahrnis» geht es um ein Paar im schon fortgeschrittenen Alter, das sich nochmals an das Thema Liebe herantastet. Beide - ein Verleger im Ruhestand und eine ehemalige Besitzerin eines Hutgeschäfts - haben schon einiges erlebt. Niederlagen, Verluste und falsche Lebensentscheidungen. Jetzt lernen sie sich zufällig in einer Wohnanlage im Voralpenland kennen und brechen ganz spontan zu einer Reise in den italienischen Süden auf.

Doch am alten Sehnsuchtsort der Deutschen werden die beiden frisch verliebten Abenteurer drei Tage später mit der harten Realität des Alltags konfrontiert. Sie treffen auf ein kleines Flüchtlingsmädchen im roten Fetzenkleid - und plötzlich steht das Paar vor einer unerwarteten neuen Herausforderung. Kirchhoff hat für diese Begegnung das aus der Theologie stammende Wort «Widerfahrnis» gefunden. Sie nehmen das Mädchen mit - doch das ist in der Parabel, wie Kirchhoff sein Buch nennt, noch nicht das Ende.

Das alles erzählt Kirchhoff, der seit vielen Jahren mit seinen über 20 Romanen zu den wichtigsten und auch erfolgreichsten Autoren des Landes zählt, elegant und kunstvoll. Für Kirchhoff, dessen ausschweifend-selbstverliebter Stil auch oft polarisiert hat, ist der Deutsche Buchpreis so etwas wie die Krönung seines Lebenswerks.

Die Jury würdigt das Buch bei der Verleihung als «vielschichtigen Text, der auf meisterhafte Weise existenzielle Fragen des Privaten und des Politischen miteinander verwebt und den Leser ins Offene entlässt». Dem 68-jährigen Kirchhoff sei es in seiner Novelle zugleich gelungen, die großen Motive seines literarischen Schaffens «auf kleinem Raum zu verhandeln».

Wenige Autoren haben eine solche Wandlung vollzogen wie der Vielschreiber Kirchhoff. Als junger Autor galt er noch als «eitler Erotomane» und großer Macho, zuständig für das Rotlichtviertel der deutschen Prosa. Auch wenn das schon lange vorbei ist, hängt es ihm bis heute an.

Zuletzt war von Kirchhoff «Verlangen und Melancholie» (2014) erschienen. In «Die Liebe in groben Zügen» hatte er zuvor 2012 auf 700 Seiten schonungslos seine eigene Ehe verarbeitet. Dafür stand er damals schon auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.

Der seit vielen Jahren in Frankfurt lebende Kirchhoff ist ein Workaholic, der oft zehn Stunden lang am Tag arbeitet. Mit seiner Frau gibt er am Gardasee Schreibkurse.

Im Finale konkurrierten mit Kirchhoff fünf weitere Romane aus Deutschland und Österreich: Auf der Shortlist standen noch Reinhard Kaiser-Mühlecker («Fremde Seele, dunkler Wald»), André Kubiczek, («Skizze eines Sommers»), Thomas Melle («Die Welt im Rücken»), Eva Schmidt («Ein langes Jahr») und Philipp Winkler («Hool»). Sieger Kirchhoff gibt sich in seiner Dankesrede als «Teamplayer» und empfiehlt, alle zu lesen.