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„Mehr als Kinderfilm“

Animationskünstler haben es nicht leicht im deutschen Filmgeschäft. Ein Kurzinterview mit Annegret Richter, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Animationsfilm.

03.04.2017
© dpa - Animated film

Annegret Richter

Frau Richter, gibt es so etwas wie eine deutsche Tradition des Animationsfilms?
Auf jeden Fall, der deutsche Animationsfilm hat eine lange Geschichte: Die Künstlerin Lotte Reiniger schuf schon vor rund 100 Jahren Animationsfilme mit Scherenschnitten. 1928 kam ihre Arbeit „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ ins Kino, der erste deutsche Animationsfilm in Spielfilmlänge. In den 1920er- und 1930er-Jahren passierte im experimentellen Bereich sehr viel, deutsche Animation war ganz weit vorn. Mit der deutschen Teilung entwickelten sich zwei unterschiedliche Traditionen des Animationsfilms: Die ostdeutsche Variante, vor allem der Puppentrickfilm, hatte großes Renommee. Doch das damals federführende DEFA-Trickfilmstudio gibt es nicht mehr und die Filmemacher, die dort gelernt haben, konnten ihr Wissen kaum weitergeben. Da ist viel verlorengegangen.

Wie geht es dem deutschen Animationsfilm heute?
Die Situation ist schwierig. Das liegt unter anderem an der Förderstruktur und daran, dass es kaum Sendeplätze für Animationsfilme zur Verfügung stehen. Statt dessen gibt es viele Lizenzeinkäufe aus Amerika, Asien oder Australien. Das hat nicht zuletzt Kostengründe, denn Animation ist teuer. Doch neben dem kommerziellen gibt es natürlich den künstlerischen Bereich. Auf Festivals laufen viele Animationsfilme, die einen philosophischen, künstlerischen, gesellschaftskritischen Anspruch haben. Die werden allerdings von Leuten gemacht, denen das eine Herzensangelegenheit ist. Leben kann man davon nicht.

“The Present” is a thesis short from the Institute of Animation, Visual Effects and Digital Postproduction at the Filmakademie Baden-Wuerttemberg in Ludwigsburg, Germany. Animated by Jacob Frey. Subtitles are available.

 

Man bringt Animation vor allem mit Kinderfilm in Verbindung. Ist das eine falsche Wahrnehmung?

So ist es in den Köpfen des Publikums und der Förderer verankert, doch das ist zu kurz gedacht. Animation ist viel mehr als Kinderfilm und auf jeden Fall auch etwas für Erwachsene. In den USA läuft viel animierte Familienunterhaltung, man denke an die Simpsons. In Deutschland gab es ähnliche Versuche, leider oft schlecht finanziert, die sich nicht durchgesetzt haben.

Gibt es im deutschen Animationsfilm irgendwelche Trends?
Deutsche Animation ist sehr haptisch, es wird viel mit den Händen gearbeitet: Stop-Motion oder Knet-Animationen sind bei Filmemachern beliebt. Das finde ich spannend, denn es unterscheidet Animationskunst aus Deutschland von der aus anderen europäischen Ländern. In Deutschland gibt es auch noch viel Handgezeichnetes. Das kommt daher, dass viele Filmemacher an Kunsthochschulen studiert haben.

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