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„Brot, wie man es in Deutschland macht“

Auch in China lieben die Menschen deutsches Brot. Ein Bäckermeister aus Koblenz hat sich in Taicang eine Existenz aufgebaut und dabei viel gelernt.

Sarah KanningInterview: Sarah Kanning , 20.12.2023
Familie Gerber im Café der Bäckerei Brotecke in Taicang
Familie Gerber im Café der Bäckerei Brotecke in Taicang © privat

Rund 40 Kilometer nördlich von Shanghai liegt Taicang, auch „deutsche Stadt“ genannt. Fast 500 deutsche Unternehmen sind dort angesiedelt. Eines von ihnen ist die Bäckerei „Brotecke“ des Koblenzer Bäckermeisters Erwin Gerber.

Schon vor mehr als 20 Jahren hatte es ihn von Rheinland-Pfalz in die Welt hinausgezogen: Nach Stationen in Kanada, Großbritannien und den Vereinigten Arabischen Emiraten begegnete er in Dubai seiner heutigen Frau, einer Chinesin aus Hunan. 2013 zog das Paar nach China und baute eine erste Bäckerei auf.

Inzwischen betreibt Erwin Gerber drei Filialen, bald soll eine vierte folgen. 2023 wurde er von der Stadt Taicang als einer der „zehn herausragenden deutschen Freunde“ geehrt. Wir haben mit ihm über das Leben in China, Brotkultur und die Faszination der Chinesinnen und Chinesen für deutsches Brot gesprochen.

Blick in die Bäckerei Brotecke in Taicang
Blick in die Bäckerei Brotecke in Taicang © privat

Herr Gerber, Sie betreiben seit zehn Jahren eine deutsche Bäckerei in Taicang. Wie haben die Chinesinnen und Chinesen damals auf Sie und die Bäckerei reagiert – und wie ist es heute?

Wir sind die einzige deutsche Bäckerei in Taicang und natürlich war es am Anfang schwierig, hier deutsches Brot zu verkaufen, denn die Chinesinnen und Chinesen hatten eine komplett andere Vorstellung von Brotwaren. Es gibt sie hier überwiegend süß und gefüllt. Wir hingegen produzieren Brot nach deutschem Recht und Rezept, so wie man es in Deutschland macht.

Heute haben wir nicht nur in Taicang Stammkundinnen und -kunden, sondern in ganz China. Es sind keine Deutschen, sondern vor allem Chinesinnen und Chinesen, die unser Brot kaufen. Der Markt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert und die Verbraucherinnen und Verbraucher möchten nun mehr auf Gesundheit und Ernährung achten.

Nach mehr als zehn Jahren hier in Taicang, ist es mein Zuhause geworden.
Erwin Gerber, Bäckermeister

Das heißt, das Interesse in China an deutschem Brot ist groß?

Wir haben 2015 unsere erste Bäckerei eröffnet und haben mittlerweile Kunden aus Shanghai, Guangzhou, Beijing und Shenzen. Die Nachfrage ist sehr gut, und dafür gibt es in China einfach zu wenige deutsche Bäckereien, die deutsches Brot backen. Mittlerweile arbeiten wir nicht nur für Privatkunden, sondern auch für Hotels und Restaurants.

Aufgrund der großen Nachfrage haben wir ständig investiert und vergrößert und mittlerweile haben wir eine Produktionsfläche von mehr als 2500 Quadratmetern. Wir arbeiten mit neuen deutschen Brotanlagen, durch die wir unsere Produkte kosten- und personaleffektiv herstellen können. So können wir unsere Preise seit Jahren stabil halten. Ein großes Problem ist es auch hier, Personal zu finden. Aber das ist auch in Deutschland so im Handwerk.

Wir haben seit mehreren Jahren einen deutschen Bäckermeister hier bei uns, er ist mein Freund und Partner im Geschäft. Das übrige Personal sind Chinesinnen und Chinesen. Unsere Hauptsprache ist somit Chinesisch, danach Englisch, wobei ich trotz all der Jahren nie richtig gelernt habe, Chinesisch zu sprechen.

Was hat Sie nach Taicang geführt?

Eigentlich der reine Zufall. China ist sehr groß und hat jede Menge wunderschöner Ecken. Taicang war eine Entscheidung aufgrund meines Bauchgefühls. Mir gefiel die Stadt damals einfach. Nun, nach mehr als zehn Jahren hier, ist sie mein Zuhause geworden.

Als wir anfingen, war alles ziemlich schwierig. Wir hatten große Investitionen und wenig Einnahmen. Wir, das heißt meine Frau und ich, waren die „Firma“. Trotzdem erhielten wir Hilfe von der Stadtverwaltung. Ob klein oder groß, allen wird geholfen. Dies vereinfacht wirklich sehr viel und hat uns dahin gebracht, wo wir heute sind.

Taicang ist wie eine kleine Stadt, alles ist grün, sauber und geregelt. Ich fühle mich hier sehr wohl und meine Kunden haben mich über all die Jahre unterstützt, sodass wir wachsen konnten.

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 Passend zur Weihnachtszeit: Was haben Sie Besonderes im Sortiment und was verkauft sich gut? Gibt es deutsch-chinesische Neukreationen?

Wir haben 2015 mit 45 Produkten angefangen, mittlerweile verkaufen wir 125. Wir haben entschieden, keine neuen Produkte mehr dazu zu nehmen, es sei denn, etwas wird nicht mehr so gut verkauft. Doch das war seit 2020 nicht der Fall. Zu Weihnachten haben wir natürlich Butter- oder Marzipanstollen sowie Weihnachtsgebäck im Sortiment. Alle unsere Produkte sind deutsch, wir machen keine Mischkreationen.

Seit 2015 haben wir unsere Preise kaum verändert. Ich denke, dass wir dies auch unseren Kunden zu verdanken haben, die uns über all die Jahre treu geblieben sind und uns auch neue Kundschaft gebracht haben.

Wie fühlt es sich an, ein deutsches Kulturgut auf der anderen Seite der Erdkugel bekannter zu machen? Die deutsche Brotkultur wurde ja 2014 zum immateriellen Kulturerbe Deutschlands und damit zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Was ist Ihnen an Ihrer Arbeit besonders wichtig?

Nun, ich habe darüber gar nicht so nachgedacht. Mein Hauptziel war von Anfang immer, dass wir echte deutsche Backwaren ohne jegliche Zusatzstoffe herstellen und diese zu angenehmen Preisen an unsere Kunden weitergeben können.

Wir haben selbst zwei kleine Kinder. Daher ist es uns wichtig, als Familienbäckerei für Familien Backwaren herzustellen, die so gut wie möglich sind. Für mich wäre es schön, wenn wir mehr deutsche Bäckerinnen oder Bäcker für unsere Produktion in Taicang einstellen könnten. China ist meine Heimat geworden, meine Arbeit und Familie sind hier und ich fühle mich hier sehr wohl und sicher.