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Wer Frauen unterstützt, hilft allen

Von Germany’s Next Topmodel zur Social Entrepreneurin: Sara Nuru hilft mit ihrem Startup Frauen in Äthiopien.  

Christina Iglhaut, 24.11.2020
Sara Nuru
Sara Nuru © Robert Rieger

Sara Nuru hat vor elf Jahren die Castingshow Germany’s Next Topmodel gewonnen. Ihr glamouröses Leben auf den Laufstegen dieser Welt tauschte sie aber nach einer Reise nach Äthiopien gegen den Titel Social Entrepreneurin ein. Gemeinsam mit ihrer Schwester Sali importiert sie heute Fairtrade-Kaffee aus Äthiopien. Mithilfe von Mikrokrediten sollen äthiopische Frauen die Möglichkeit bekommen, ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben zu führen.

Frau Nuru, was verbindet Sie mit Äthiopien?

Meine Eltern kommen aus Äthiopien. Leider mussten Sie in den 1980er-Jahre wegen des Kriegs mit Eritrea und Hungersnöten fliehen. Meine Mutter kam dann in ein 200-Seelen-Dorf in Bayern. Ein altes Ehepaar hat ihr Gasthaus dort für geflüchtete Menschen zur Verfügung gestellt und meine Mutter unterstützt. Sie haben ihr Fahrradfahren beigebracht, sie bei Behördengängen begleitet und versucht, sie in die Dorfgemeinschaft zu integrieren. Meine Mutter hatte nur Kleidung für die Kinder und sich selbst dabei. Und die Utensilien für eine äthiopische Kaffeezeremonie, grüne Bohnen, Tonkrüge und kleine Kaffeetassen. Sie bereitete ihn dann vor dem Haus am offenen Feuer zu. Zuerst war die kleine, alteingesessene Community ihr gegenüber etwas skeptisch, aber der Geruch von frischem Kaffee hat sie dann doch neugierig gemacht. Kaffee war damals der Eisbrecher.

Sie haben 2009 den TV-Wettbewerb Germany’s Next Topmodel gewonnen: Laufstege, Blitzlicht, Fotoshootings – wieso haben Sie sich gegen dieses Leben entschieden?

Ich hatte zu der Zeit wirklich ein verrücktes Leben. Ich bin um die Welt gejettet, habe teure Kleider bekommen und in den schönsten Hotels geschlafen. Doch dann hat die NGO „Menschen für Menschen“ angefragt, ob ich sie nicht bei ihrer Arbeit in Äthiopien unterstützen wolle. Das hat mein Interesse sofort geweckt, aber ich wollte mir die Situation vorher selbst anschauen.

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Was haben Sie auf dieser Reise für sich entdeckt?

Ich war plötzlich nicht nur mit unfassbarer Armut konfrontiert, sondern auch mit meinen eigenen Privilegien, weil ich in Deutschland geboren wurde, weil meine Eltern fliehen konnten. Ich habe mich geschämt. Als ich dann wieder im Flieger saß und mein nächster Stopp Manhattan hieß, konnte ich dieses Gefühl nicht mehr abschütteln, ich konnte nicht vergessen, was ich gesehen hatte. Da war mir klar, dass ich in der Zukunft etwas Sinnstiftendes machen will und das am liebsten in Äthiopien.

Heute importieren Sie zusammen mit Ihrer Schwester Kaffee aus Äthiopien. Was wollen Sie mit dem Projekt erreichen?

Ich war zu der Zeit Botschafterin von „Menschen für Menschen“ und habe verstanden, dass sich das Spendenverhalten der Menschen ändert. Es reicht nicht mehr, auf die Tränendrüse zu drücken wie noch in den 1980er-Jahren. Deshalb haben wir nach einer Alternative zu klassischen Spenden gesucht und sind so auf die Idee eines Social Business gekommen. Wir wollen durch wirtschaftliches Handeln Gutes tun.

Ist die Geschichte Ihrer Mutter der Grund, warum Sie sich für Kaffee entschieden haben?

Das war einer der Gründe. Äthiopien ist das Herkunftsland von Kaffee, und er ist das größte Exportgut des Landes. Ich kenne kein anders Land, das Kaffee so zelebriert wie Äthiopien. Die klassische Kaffeezeremonie hat, gerade bei den Frauen, die ihn zubereiten, einen enorm hohen Stellenwert. Meine Schwester und ich verbinden damit aber auch persönlich ganz viel – das Gefühl des Miteinanders und der Entschleunigung. Das wollen wir mit dem fairen und nachhaltigen Kaffee vermitteln. 

Mit Ihrem Produkt unterstützen Sie vor allem Frauen, wie kommt das?

In der Kaffeeproduktion sind primär Frauen involviert, sie pflücken, waschen und häuten die Kaffeekirschen. Aber wenn es darum geht, die Preise zu verhandeln, sitzt keine Frau mit am Tisch. Frauen verdienen auch am wenigsten. Es gibt Studien, die belegen, dass Frauen in Entwicklungsländern ihr Geld nicht für sich, sondern für ihre ganze Familie ausgeben. Wenn man also Frauen unterstützt, unterstützt man die ganze Community.

Mit Ihrem Umsatz finanzieren Sie Mikrokredite für Frauen in Äthiopien. Welche Idee steckt hinter dem Konzept?

Wir wollten durch den Verkauf des Kaffees auch Frauen helfen, die keinen Zugang zum Kaffeesektor haben und nicht für uns arbeiten. Das machen wir mit einer Starthilfe für ihr eigenes Business, einem sogenannten Mikrokredit. Die Frauen melden sich an und bekommen von uns zwischen 100 und 300 Euro. Die können sie ausgeben, für was sie wollen, sie müssen das Geld aber innerhalb von zwei Jahren mit ein paar Zinsen in den Topf zurückzahlen. Davon werden wiederum neue Kredite vergeben.

Das sollte immer das Ziel sein – Hilfe zur Selbsthilfe.
Sara Nuru

Haben Sie das Gefühl, dass die relativ kleinen Kredite auch langfristigen Erfolg haben und das Leben der Frauen verbessern?

Ich habe ganz unterschiedliche Geschichten erlebt. Eine Frau hat sich zum Beispiel einen Billardtisch davon gekauft, weil sich viele Menschen in der Region für Billard begeistern. Sie hat pro Spiel Geld verlangt und quasi eine kleine Bar aufgemacht. Eine andere Frau hat als Teenager als Beschneiderin gearbeitet und wurde von ihrem Mann missbraucht. Sie hat sich von ihrem Kredit eine Ziege gekauft, diese gemästet, mit Gewinn verkauft und sich dann davon zwei Ziegen gekauft. Heute lebt sie von ihrem Mann getrennt in einem anderen Dorf und arbeitet für eine unserer Assoziationen und kümmert sich um die Ausgabe von Krediten.

Finden Sie Ansätze in der Entwicklungszusammenarbeit, bei denen die Betroffenen stark  einbezogen werden, generell am sinnvollsten?

Ja, die betroffenen Menschen wissen am besten, was sie brauchen und was in der jeweiligen Region als Business funktioniert. Unser Kredittopf nährt sich mittlerweile quasi von selbst, sodass das Konzept in der Region langfristig funktionieren würde, auch wenn es nuruCoffee nicht mehr geben würde. Das sollte immer das Ziel sein – Hilfe zur Selbsthilfe. Wir müssen mit den Menschen vor Ort sprechen, zuhören – und vor allem irgendwann wieder gehen.

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