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„Deutschland ist ein verlässlicher Partner“

Ricklef Beutin ist seit August 2025 Ständiger Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen. Im Interview macht er sich stark für mehr Multilateralismus. 

Wolf ZinnInterview: Wolf Zinn, 15.10.2025
Ricklef Beutin, Ständiger Vertreter Deutschlands bei den UN in New York
Ricklef Beutin, Ständiger Vertreter Deutschlands bei den UN in New York © picture alliance

Herr Beutin, Sie haben im August 2025 Ihr Amt als Ständiger Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York angetreten. Welche Ziele haben Sie sich persönlich gesetzt?
Aus Erfahrung und Überzeugung kann ich sagen: Wir brauchen heute mehr und nicht – wie manche Stimmen glauben lassen wollen - weniger Multilateralismus. Ich möchte daher in den kommenden vier Jahren meinen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland weiterhin ein engagierter Unterstützer der UN ist. Dazu gehören Frieden und Sicherheit, wo Deutschland mehr Verantwortung übernehmen will, aber auch die Agenda 2030 und die Nachhaltigkeitsziele. In diesem Jahr hat Deutschland den Vorsitz der Kommission für Friedenskonsolidierung, einem Beratungsorgan der UN, das Länder nach Konflikten bei der Stabilisierung hilft. Die Bundesregierung bewirbt sich auch für einen nicht-ständigen Sitz im Sicherheitsrat 2027/28. An der Kandidatur wirkt die gesamte Bundesregierung und natürlich ganz besonders das Auswärtige Amt mit, und auch meine Aufgabe hier in New York ist es, diese Wahl zu einem Erfolg für Deutschland werden zu lassen. 

Die Welt ist im Krisenmodus. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie für die UN?
Die Vereinten Nationen stehen unter einem enormen finanziellen und politischen Druck. Der teilweise Rückzug der USA aus Programmen und Organisationen der UN, die anhaltende Blockade des Sicherheitsrats in wichtigen Bereichen, aber auch das Unterwandern des Gewaltverbots zum Beispiel durch Russland – all das kratzt an der Legitimität der Organisation und ihrer Grundwerte. Und gleichzeitig sind sich alle Mitgliedstaaten bewusst: Die UN und damit auch die Mitgliedstaaten müssen sich verändern, um in der Wirklichkeit des 21. Jahrhundert zu bestehen. Das hat die Ausarbeitung des Zukunftspakts unter namibischer und deutscher Leitung 2024 – und ganz aktuell die Sitzung der Generalversammlung Ende September 2025 – gezeigt. Das ist eine Chance. UN-Generalsekretär António Guterres hat im März 2025 mit seiner Initiative UN80 wichtige Vorschläge für Reformen gemacht, um die Vereinten Nationen effektiver zu machen und besser für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen.

Sehen Sie konkreten Reformbedarf?
Ja, und das ist kein neues Phänomen. Deutschland fordert seit vielen Jahren eine Reform des Sicherheitsrats. Wir wollen mehr ständige Sitze für Afrika, Asien und Lateinamerika sowie weitere nicht-ständige Sitze, damit die Welt des 21. Jahrhunderts gerechter in diesem zentralen UN-Gremium abgebildet ist. Wir müssen uns und die UN aber auch in anderen Bereichen verändern, etwa im Bereich der humanitären Hilfe. Die Mittel, die wir und andere für die UN-Hilfsorganisationen bereitstellen, reichen nicht mehr aus, um den vielen Krisen und den betroffenen Menschen gerecht zu werden. Gemeinsam mit den UN arbeiten wir daran, die vorhandenen Mittel noch stärker vorausschauend einzusetzen und vor allem die Hilfe lokal umzusetzen.

Wie schätzen Sie die Rolle Deutschlands innerhalb der UN ein?
Die Vereinten Nationen leben vom politischen und finanziellen Engagement ihrer Mitgliedstaaten. Deutschland ist zweitgrößter Beitragszahler im gesamten UN-System und einer der größten Geber im Bereich der humanitären Hilfe. Deutschland beheimatet 38 UN-Organisationen, 27 UN-Büros sind allein auf dem Bonner UN-Campus angesiedelt. Wir stehen für Respekt gegenüber den Menschen, den Perspektiven der anderen Mitgliedstaaten und der Charta der Vereinten Nationen. Unser Engagement in Sachen Klima, Menschenrechte und Entwicklung ist geprägt von dem Gedanken der Gerechtigkeit. An der Friedensarbeit, einem zentralen Pfeiler der UN, wirken wir seit über 50 Jahren mit unserer Erfahrung und Expertise mit. Im 80. Jahr seit Gründung der UN hat mit Annalena Baerbock eine Deutsche den Vorsitz der Generalversammlung. Auch das zeigt: Deutschland engagiert sich sehr stark für die Vereinten Nationen; wir sind ein verlässlicher Partner und eine starke Stimme für Deutschland und Europa hier in New York. 

Zur Person: Ricklef Beutin

Ricklef Beutin war vor seinem Antritt als Ständiger UN-Vertreter in New York unter anderem Leiter der Abteilung Krisenprävention, Stabilisierung, Friedensförderung und humanitäre Hilfe sowie der Zentralabteilung im Auswärtigen Amt. Außerdem arbeitete er für die Vertretung Deutschlands bei der EU in Brüssel, in Berlin leitete er unter anderem das Referat für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).