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Welchen Einfluss hat das TV-Duell?

Werte, Äußerlichkeiten und viele unentschlossene Wähler – ein Experte erklärt, worauf es im TV-Duell der Kanzlerkandidaten ankommt.

30.08.2017
Bundestagswahl 2017: Martin Schulz und Angela Merkel treffen sich am 3. September zum TV-Duell
Viel Diskussionsstoff: Martin Schulz und Angela Merkel © dpa

Ein Team um den Mainzer Wahlforscher Thorsten Faas untersucht das TV-Duell am 3. September zur Bundestagswahl 2017 zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schulz. Dabei erheben die Wissenschaftler auch Echtzeitreaktionen und können während des Duells live feststellen, wie die Kandidaten auf die Zuschauer wirken.

Herr Professor Faas, wie sehr kann das TV-Duell der beiden Kanzlerkandidaten Angela Merkel und Martin Schulz den Ausgang der Bundestagswahl beeinflussen?

Schon das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück im Jahr 2013 hatte fast 18 Millionen Zuschauer; auch im Wahlkampf 2017 ist das TV-Duell das wichtigste Einzelereignis. Das liegt auch an der Zusammensetzung des TV-Publikums: Das Duell werden sehr viele Menschen sehen, die zuvor noch nicht viel vom Wahlkampf mitbekommen haben. Das TV-Duell erhöht eindeutig die Wahlbeteiligung und ein klarer Sieger kann viele zuvor unentschlossene Wähler mobilisieren. Eher gering ist der Einfluss dagegen auf Zuschauer, die zuvor bereits Anhänger des einen oder anderen Kandidaten waren. Sie nehmen das Duell eher durch eine Parteibrille wahr und sehen sich in ihren Ansichten bestärkt.

Bundestagswahl 2017: Wahlforscher Thorsten Faas
Thorsten Faas: „Es ist Mythos, dass es auf Äußerlichkeiten ankommt“ © dpa

Welche Rolle spielen oberflächliche Faktoren wie das Aussehen?

Solche Faktoren werden natürlich wahrgenommen, man sollte sie aber nicht überbewerten. Der Klassiker der TV-Duelle, die Auseinandersetzung der US-Präsidentschaftskandidaten Kennedy und Nixon im Jahr 1960, hat zu dem Mythos beigetragen, dass es vor allem auf Äußerlichkeiten ankommt: Der gutaussehende Kennedy kam bei den TV-Zuschauern besser an als der kränklich und müde wirkende Nixon, der aber bei den Radiozuhörern punkten konnte. Viel wichtiger als Äußerlichkeiten ist aber, ob es den Kandidaten gelingt, ihre Wahlprogramme mit grundlegenden Wertvorstellungen der Zuschauer zu verknüpfen und diese somit zu überzeugen.

Manchmal werden Eindrücke vom TV-Duell schon durch die mediale Berichterstattung verzerrt.
Thorsten Faas

Wird die Wirkung von TV-Duellen falsch eingeschätzt?

Manchmal werden Eindrücke schon durch die mediale Berichterstattung verzerrt. Im TV-Duell mit seiner Herausforderin Angela Merkel hat der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2005 zum Beispiel seiner Frau Doris Schröder-Köpf eine Liebeserklärung gemacht. Das wurde in den Medien anschließend sehr stark thematisiert, obwohl die tatsächliche Wirkung auf die TV-Zuschauer eher gering war. Im Anschluss an das TV-Duell 2013 haben unterschiedliche Meinungsforschungsinstitute unterschiedliche Sieger ermittelt.

Grundsätzlich steht die Demoskopie vor der Schwierigkeit, dass die klassische Umfrage per Festnetztelefon immer seltener zum Ziel führt. Die Menschen sind schwieriger zu erreichen und ihre Teilnahmebereitschaft nimmt ab. Hinzu kommt, dass das Wählerverhalten viel beweglicher geworden ist. Aktuell ist noch rund die Hälfte der deutschen Wähler unentschlossen und bis zu zehn Prozent werden ihre Entscheidung erst am Wahltag fällen.

Das Interview führte Johannes Göbel.

© www.deutschland.de