Jede siebte Patentanmeldung stammt von Zugewanderten
Von der Pflege bis zur Forschung: Neue Erhebungen zeigen, wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte die deutsche Wirtschaft tragen und verändern.
  Sie halten Betriebe am Laufen, bringen neue Ideen in die Forschung und gründen überdurchschnittlich oft eigene Unternehmen: Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Studien führender Forschungsinstitute zeigen, dass Zuwanderung zu einem zentralen Faktor für Stabilität, Innovation und Beschäftigung in Deutschland geworden ist.
Wie stark prägen Menschen mit Einwanderungsgeschichte die deutsche Wirtschaft?
Mehr als ein Viertel aller Beschäftigten in Deutschland hat eine Einwanderungsgeschichte. In manchen Branchen ist ihr Anteil doppelt so hoch: In der Gastronomie und Lebensmittelherstellung stammt mehr als die Hälfte der Beschäftigten aus zugewanderten Familien oder ist selbst zugewandert, in der Schweiß- und Verbindungstechnik sind es rund 60 Prozent. Auch in der Pflege, Logistik und im Transportwesen sichern Menschen mit Einwanderungsgeschichte den Betrieb – oft dort, wo der Fachkräftemangel besonders groß ist.
In welchen Berufen sind Menschen mit Einwanderungsgeschichte unverzichtbar geworden?
Laut Statistischem Bundesamt (Oktober 2025) liegt ihr Anteil in zahlreichen Engpassberufen weit über dem Durchschnitt von 26 Prozent auf dem gesamten Arbeitsmarkt: 54 Prozent bei Köchinnen und Köchen, 48 Prozent im Gerüstbau, 46 Prozent in der Fleischverarbeitung, 47 Prozent unter Bus- und Straßenbahnfahrerinnen und -fahrern. In der Altenpflege beträgt der Anteil 33 Prozent, im Hotelservice 40 Prozent und in der Kunststoffverarbeitung 44 Prozent. Ohne ihren Beitrag würde in vielen Betrieben kaum etwas laufen – von der Pflege über die Lebensmittelproduktion bis zur Logistik.
  Wie beeinflusst Zuwanderung die Bereiche Forschung und Innovation?
Heute stammt rund jede siebte Patentanmeldung in Deutschland von Menschen mit Einwanderungsgeschichte – im Jahr 2000 war es noch weniger als jede zwanzigste. Besonders auffällig ist der Anteil indischer Erfinderinnen und Erfinder: Ihre Patentanmeldungen haben sich seit der Jahrtausendwende verzwölffacht und machen inzwischen gut ein Prozent aller Erfindungen aus.
Zuwanderung stärkt zudem die Innovationskraft, vor allem in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen. Bemerkenswert ist auch: Unter Menschen mit Einwanderungsgeschichte melden fast doppelt so viele Frauen Patente an wie unter Menschen ohne Einwanderungsgeschichte. Migration sorgt also nicht nur für Fachkräfte, sondern auch für mehr Diversität in der Forschung.
Welche Erfolgsgeschichten verbergen sich hinter den Zahlen?
Hinter den Statistiken stehen Menschen, die Deutschland mitgestalten – und mit ihren Ideen weltweit Wirkung entfalten. Ein bekanntes Beispiel für den Einfluss von Zuwanderung auf Forschung und technologische Entwicklung ist das Mainzer Unternehmen BioNTech. Die Gründer Özlem Türeci und Uğur Şahin entwickelten den weltweit ersten zugelassenen mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 – ein Durchbruch, der zeigt, wie sehr Vielfalt und wissenschaftliche Exzellenz zusammenwirken können. Türeci wurde als Kind türkischer Einwanderer in Deutschland geboren, Şahin kam als Kind aus der Türkei nach Deutschland.
Ein weiteres Beispiel ist Ali Al-Hakim, Gründer der Berliner Firma Boreal Light. Er hat eine solarbetriebene Anlage entwickelt, die in Afrika sauberes Trinkwasser liefert – mehr als 200 Systeme in 18 Ländern versorgen heute mehr als sechs Millionen Menschen. Für seine Arbeit wurde Al-Hakim mit dem Berliner Preis „Vielfalt unternimmt“ ausgezeichnet.
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Einverständniserklärung öffnenWas motiviert Menschen mit Einwanderungsgeschichte, eigene Unternehmen zu gründen?
Laut dem Global Entrepreneurship Monitor (GEM) 2023, erhoben vom RKW Kompetenzzentrum und der Leibniz Universität Hannover, hat in den vergangenen drei Jahren rund jede fünfte Person mit Einwanderungsgeschichte ein Unternehmen gegründet oder Schritte dazu unternommen – mehr als doppelt so viele wie Menschen ohne Einwanderungsgeschichte.
Viele suchen Unabhängigkeit, wirtschaftliche Sicherheit oder die Chance auf sozialen Aufstieg. Andere folgen familiären Vorbildern, bei denen Unternehmertum Tradition hat. Gleichzeitig starten laut GEM-Monitor viele mit einem Nachteil: Menschen mit Einwanderungsgeschichte und Zugewanderten fehlen oft Kontakte, über die sie an Kapital, Beratung oder Geschäftspartner kommen – etwa zu Banken, Investoren oder Mentoren.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Deutschland setzt zunehmend auf qualifizierte Zuwanderung. Seit der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (November 2023) wurden rund 200.000 Visa zu Erwerbszwecken erteilt – ein Plus von mehr als zehn Prozent. Besonders stark gestiegen ist die Zahl internationaler Studierender, Auszubildender und von Anerkennungsverfahren. Der Beschäftigungszuwachs der vergangenen Jahre geht zu großen Teilen auf Zuwanderung zurück – vor allem aus Drittstaaten.
Zuwanderung ist damit längst mehr als eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Sie ist ein Wachstumsmotor – und ein zentraler Treiber von Innovation, Beschäftigung und unternehmerischem Wandel in Deutschland.