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Gerade Linie heißt Erfolg

Marwa Malhis hat in ihrer Doktorarbeit einen Wirkstoff gegen Alzheimer entdeckt – bis zum Medikament ist der Weg aber noch weit.

Jasmin Siebert, 30.03.2021
Marwa Malhis im Bioanalytik-Labor der Hochschule Coburg.
Marwa Malhis im Bioanalytik-Labor der Hochschule Coburg. © Hochschule Coburg

Jeden Morgen lief Marwa Malhis gespannt ins Labor der Hochschule Coburg, im Kopf nur die eine Frage: Was machen die Peptide? Mehr als zwanzig hatte die Doktorandin schon getestet. Immer zeigte das Testgerät Wellen an und das heißt: keine Reaktion. Eines Morgens endlich: eine gerade Linie. Die 36-jährige, aus Syrien stammende Bioanalytikerin hatte einen potentiellen Wirkstoff gegen die bislang unheilbare Alzheimer-Erkrankung gefunden.

Die Alzheimer-Demenz trifft überwiegend ältere Menschen. Betroffene leiden an Störungen des Gedächtnisses, der Orientierung und der Sprache. Als Marwa 13 Jahre alt war, erkrankte ihr geliebter Großvater. „Er erkannte mich nicht mehr und lief verwirrt im Pyjama auf die Straße herum“, erinnert sich Marwa. Als ihr an der Hochschule Coburg eine Promotion zur Therapie gegen Alzheimer angeboten wurde, zögerte sie nicht.

Ablagerungen im Gehirn hemmen

Die hirnorganische Krankheit ist nach dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer (1864-1915) benannt, der sie im Jahr 1906 erstmals wissenschaftlich beschrieben hat. Im Gehirn von Alzheimer-Kranken lagern sich zwei spezielle Eiweiße ab. Während sich die meisten Forscher auf das andere Eiweiß konzentrieren, wählte Marwa das Tau-Protein. Sie fand zwei Peptide, die das Tau-Protein binden und so dessen Ablagerung hemmen.

Bevor sie nach Deutschland kam, studierte Marwan Pharmazie in Aleppo sowie Pflanzenheilkunde und Aromatherapie in Frankreich.
Bevor sie nach Deutschland kam, studierte Marwan Pharmazie in Aleppo sowie Pflanzenheilkunde und Aromatherapie in Frankreich. © privat

„Wenn ein Experiment gut läuft, kann ich auch von acht bis acht im Labor bleiben“, sagt Marwa und lacht. Dann holte ihr Mann die jüngere Tochter aus dem Kindergarten und kümmerte sich um das Abendprogramm, damit Marwa ihr Experiment nicht abbrechen musste. Denn Marwa ist leidenschaftliche Forscherin und dreifache Mutter. „Die Kinder sehen, dass ich Ziele habe“, sagt Marwa dazu: „Das finde ich gut.“

Wissenschaftlicher Neuanfang in Deutschland

Bevor sie mit ihrer Familie nach Coburg zog, hatte die gebürtige Syrerin in Frankreich Pflanzenheilkunde und Aromatherapie studiert und zuvor Pharmazie in Aleppo. Weil sie die deutsche Forschungslandschaft reizte, überredete sie ihren Mann zu einem Neuanfang in Deutschland. Der Arzt bekam eine Stelle an der Klinik in Coburg und Marwa studierte Bioanalytik an der örtlichen Hochschule. Während ihrer Promotion erhielt Marwa zwei Stipendien für ihren Lebensunterhalt und die Labormittel.

Auf die von Marwa entdeckte Substanz hat die Hochschule ein Patent angemeldet. Fortgesetzt wird die Forschung am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn. Dort wurde das Peptid bereits erfolgreich an lebenden Zellen getestet, später sollen Tests an Labormäusen folgen. Bis es ein Medikament geben könnte, dauere es aber noch. „15 bis 20 Jahre“, schätzt Marwa.

Inzwischen hat Marwa ihre Promotion in englischer Sprache geschrieben und beendet. Gerade ist sie mit ihrem einjährigen Sohn zuhause und auf Jobsuche. Am liebsten möchte sie in der Forschung bleiben und ihren Kindheitstraum erfüllen: Professorin werden. „Ich liebe das Labor. Das ist meine Leidenschaft“, sagt sie.

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