Grenzerfahrungen im exklusiven Club
Nicht erst seit die spanische Popsängerin Rosalía ihren Song „Berghain“ – teils auf Deutsch – schmettert, ist Deutschlands berühmtester Club für Techno-Jünger aus aller Welt ein Wallfahrtsort mit Nebelmaschine. Die Party-Pilger bibbern stundenlang in der Warteschlange, nicht nur vor Kälte, sondern auch vor der strengen Einlasskontrolle. Denn die Türsteher sind die Hohepriester der exklusiven Club-Aura und die Hüter des „Du passt hier nicht rein“. Was wiederum manche erst begreifen, wenn sie drin sind. Zum Beispiel weil die wuchtigen Bässe ihnen die Organe durchschütteln oder das Strobo-Geflacker die Hirnarchitektur neu sortiert.
Das gilt nicht nur für Berlin. Auch andernorts lassen Türsteher das Partyvolk ihre Macht spüren. In Hamburgs Golden Pudel sollte man keinesfalls so wirken, als hätte man jemals eine Steuerklärung abgegeben. Im Frankfurter Robert Johnson wartet man länger auf den Einlass als auf einen Arzttermin. Und im Münchner Blitz entscheidet nicht nur der Look, sondern vor allem die spirituelle Ausstrahlung.
Dieses YouTube-Video kann in einem neuen Tab abgespielt werden
YouTube öffnenInhalte Dritter
Wir verwenden YouTube, um Inhalte einzubetten, die möglicherweise Daten über deine Aktivitäten erfassen. Bitte überprüfe die Details und akzeptiere den Dienst, um diesen Inhalt anzuzeigen.
Einverständniserklärung öffnenHat man es auf die Tanzfläche geschafft, beginnt die religiöse Verehrung der Kult-DJs. Fans lassen sich von ihren Klängen betören wie einst Odysseus von den Sirenen, Banausen fühlen sich eher an Polizeisirenen oder Baulärm erinnert. Kenner verlieren sich in akademischen BPM-Diskussionen, Uneingeweihte fragen sich heimlich: „Ist das jetzt krass minimalistisch oder noch der Soundcheck?“
Dazwischen schweben Menschen, die dank chemischer Hilfsmittel das Ganze „unheimlich intensiv“ erleben. Konservativere Geister schlürfen Cocktails. Wer dabei die Preisliste übersieht, verballert in einer wilden Clubnacht schnell ein halbes Monatsgehalt.
Bleibt noch die hohe Kunst der Anmache. Klassiker wie „Bist du öfter hier?“ haben sich definitiv überlebt. Doch auch euphorische Sympathiebekundungen sind selten von Erfolg gekrönt, etwa: „Deine Energie ist so stark, dass bei mir die Sicherung durchbrennt.“ Oder: „In diesem Licht siehst du echt gut aus.“
Trotz allem: Wahrscheinlich ist das Tanzen in überfüllten, lauten und stickigen Clubs der sinnvollste Eskapismus in unserer verrückten Zeit. Solange Menschen lieber gemeinsam tanzen, statt sonstigen Unsinn anzustellen, hat die Clubszene ihren Dienst am Weltfrieden erfüllt – zum Beispiel im Berghain.