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„Ausgangspunkt einer Erfolgsstory“

Hartmut Esslinger gehört zu Deutschlands bekanntesten Designern. Er spricht über Traditionen und die Herausforderungen für deutsches Design. 

Thomas Edelmann , 16.11.2023
Designer Hartmut Esslinger
Designer Hartmut Esslinger © John McNeil Studio 

Der deutsche Designer Hartmut Esslinger ist mit seinen Designideen weltweit erfolgreich. Er gründete das Unternehmen frog design und beriet früh internationale Konzerne wie Sony oder auch Apple-Gründer Steve Jobs. Der 1944 im Schwarzwald geborene Esslinger begann seine Karriere in Deutschland, doch inzwischen lebt er schon seit Jahrzehnten in Kalifornien.  

Herr Esslinger, wie wurde Design aus Deutschland wahrgenommen, als Sie in die USA kamen – und wie ist es heute?
Norio Ōga von Sony liebte unser „deutsches“ Design, beispielsweise Stereoanlagen und Fernseher für WEGA und die damals coole Werbung, Steve Jobs bewunderte die Innovation von Sony und unseren „international Style“. Steve mochte auch Kaffeemaschinen von Braun. Seine deutsche Design-Ikone aber war der Porsche 911. Da wir im Silicon Valley das erste große Design-Studio waren, hat uns die amerikanische Design-Elite lange nicht wahrgenommen. Inzwischen ist konvergentes „Design 4 Industry“ – also physische Produkte und digitale Software – nicht mehr auf ein Land zu reduzieren. 

Wenn von den Anfängen deutschen Designs gesprochen wird, ist oft vom Bauhaus in den 1920er-Jahren die Rede, mitunter auch von der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm, die von 1953 bis 1968 bestand. Welche Bedeutung haben diese Institutionen für Sie?
Beide Schulen waren international-revolutionär und haben die Industriekultur – jeweils nach den beiden Weltkriegen – nachhaltig erneuert und bis heute beeinflussen sie „Design 4 Industry“. Besonders die HfG Ulm etablierte die Vernetzung von Design mit moderner Produktion, mit Wissenschaft, Semantik und Kommunikation.  

Bauhaus-Gebäude in Dessau
Bauhaus-Gebäude in Dessau © picture alliance / Zoonar

Anders als die Bewunderer von Bauhaus und HfG Ulm, die auf maximal nüchterne Gestaltung pochten, bezogen Sie Emotionen ins Design ein. Ist das heute noch ein Thema?
Ich bewunderte beide Schulen, in Ulm besonders Hans Gugelot und Herbert Lindinger. Doch wo diese beiden komplexe Produkte mit klugen Proportionen und funktionalen Details kreativ designten, galt die Devise „form follows function“ oft als Rechtfertigung für peinliche Langeweile. Meine Vorbilder fand ich im italienischen Design – und dann wurde es zu „form follows emotion“. 

Zu deutschem Design gehörte eine Zeitlang, dass es sich auf Potenziale industrieller Fertigung bezog. Heute träumen viele davon, etwa durch 3-Druck die Produktion zu individualisieren und ökologischer zu machen. Ist das klug?
Individuelle Konsum-Produkte in 3D-Druck sind weder sicher noch ökologisch. Nach dem ersten Hype wird 3D dort angewandt, wo traditionelle Methoden versagen: für künstliche Herzklappen, High-Tech Bauteile, in der Biochemie und bei teuren Uhren. 

Dass Design im Zusammenspiel mit Innovation und Ökonomie positive Entwicklungen bewirkt, ist bekannt und war immer wieder auch in Deutschland Ausgangspunkt einer Erfolgsstory. 
Designer Hartmut Esslinger

Wo steht deutsches Design heute?
Es könnte noch besser sein. Auf der Ebene der Ausbildung hat es sich zu sehr von „Design 4 Industry“ entfernt. Dass Design im Zusammenspiel mit Innovation und Ökonomie positive Entwicklungen bewirkt, ist bekannt und war immer wieder auch in Deutschland Ausgangspunkt einer Erfolgsstory. Das gilt auch für aktuelle Themen und Herausforderungen. Der Berliner Politik – so meine Sicht von außen – ist dieser Zusammenhang nicht so geläufig, wie er es sein sollte. Dabei empfehlen auch Institutionen wie die OECD einen experimentelleren, visionäreren Umgang mit der Förderung von Innovationen. 

Ihr Vorschlag?
Um global mitzuspielen, braucht es eine holistische Designausbildung. Hochschulen sollten sich auf die Heranbildung von Persönlichkeiten fokussieren, die als Partner für die Industrie relevant sind und dazu in der Lage, sie zu Fortschritten herauszufordern.