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Miteinander statt übereinander reden

Der Verein „Zeugen der Flucht“ bringt Geflüchtete in Deutschland mit Schülerinnen und Schülern zusammen.

Ulrike Scheffer, 16.05.2023
„Zeugen der Flucht“ möchte durch Begegnung Toleranz fördern.
„Zeugen der Flucht“ möchte durch Begegnung Toleranz fördern. © Felix Groteloh

Im Herbst 2015 flüchteten hunderttausende Menschen nach Deutschland – und wurden mit offenen Armen empfangen. Von der Politik und in der Bevölkerung erfuhren Geflüchtete große Unterstützung. Vor allem Kriegsflüchtlinge aus Syrien wurden freundlich empfangen. Am Münchner Hauptbahnhof, wo viele Menschen ankamen, die auf ihrer Flucht zuvor in Ungarn festgesessen hatten, wurden sie anfangs sogar mit Applaus begrüßt. Medien sprachen von der „deutschen Willkommenskultur“. Doch später bröckelte die Zustimmung mancher Bürgerinnen und Bürger zur Aufnahmepolitik der damaligen Bundesregierung. Eine Gruppe junger Menschen aus Freiburg wollte das nicht hinnehmen. In der Küche ihrer Wohngemeinschaft entstand die Idee, Geflüchtete mit Kindern und Jugendlichen zusammenzubringen, um die abstrakten Debatten über Flucht und Migration auf eine menschliche Ebene zu heben, ihnen quasi ein Gesicht zu geben.

Kindern Wissen über Geflüchtete vermitteln

2016 gründete die Gruppe den Verein „Zeugen der Flucht“. Ihr Leitmotiv: „Miteinander statt übereinander reden.“ Von Anfang an dabei war auch Fadel Alnaser, ein junger Syrer, der 2015 gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester aus Aleppo nach Deutschland kam. „Ich finde es wichtig, Kindern zu vermitteln, dass Geflüchtete ganz normale Menschen sind“, sagt der heute 26-Jährige, „Kinder wissen oft nur, was sie von ihren Eltern gehört oder aus den Medien erfahren haben.“

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„Zeugen der Flucht“ bietet Veranstaltungen in Schulen, Universitäten oder auch Gottesdiensten an. Geflüchtete wie Fadel Alnaser berichten dabei über ihre Erlebnisse auf der Flucht und vom Leben im Krieg in ihrer Heimat. Sie beantworten Fragen und erzählen, was es für sie bedeutet, in einem fremden Land ganz neu anfangen zu müssen. „Wenn das Eis erst einmal gebrochen ist, kommen meist viele interessierte Fragen“, erklärt Alnaser. Typische Fragen von Schülerinnen und Schülern sind etwa: Warum bist du geflohen? Was machst du jetzt in Deutschland? Welche kulturellen Unterschiede gibt es zwischen Syrien und Deutschland?

Zahlen und Fakten gewinnen durch die Begegnungen neue Bedeutung

Eine 10. Klasse, die Fadel Alnaser gemeinsam mit zwei weiteren Syrern besuchte, schrieb nach dem Zusammentreffen: Zahlen und Fakten hätten für sie durch die Begegnung mit drei jungen Syrern „eine ganz andere Bedeutung bekommen“. Alnaser sagt: „Wir geben den Kindern eine Brille, mit der sie besser sehen können.“

„Zeugen der Flucht“ hat inzwischen Standorte in Freiburg, Dresden und Münster. Allein Fadel Alnaser hat schon mehr als 70 Schulklassen besucht. Er wohnt heute in Berlin und studiert Maschinenbau. Wenn ihn Kinder und Jugendliche fragen, was ihm in Deutschland nicht gefällt, hat er auch etwas zu sagen. Denn an eines kann er sich einfach nicht gewöhnen: das deutsche Essen. „Ich bin immer glücklich, wenn meine Mutter für mich syrisch kocht.“