Das Zusammenleben architektonisch gestalten
Deutsche Architektinnen und Architekten entwerfen weltweit Bauwerke von Format – zwischen Bauhaus-Erbe, kreativer Raffinesse und sozialer Verantwortung.

Sie entwerfen Bahnhöfe in Stuttgart, Holzgebäude in Sevilla, Fabriken in Ungarn und Lehmhäuser in Bangladesch – deutsche Architektinnen und Architekten sind rund um den Globus präsent. Ihre Bauwerke gestalten sie meist mit klarer, reduzierter Ästhetik, mitunter aber auch spektakulär und ikonisch.
Die Idee des Maßvollen
Deutsche Architektur hat eine lange Tradition. Karl Friedrich Schinkel entwarf im 19. Jahrhundert die Berliner Bauakademie als Modell für eine aufgeklärte Gesellschaft, prägte mit Bauwerken wie dem Konzerthaus und dem Alten Museum in Berlin den deutschen Klassizismus und gilt zugleich als einer der Wegbereiter des Modernismus.

In den 1920er-Jahren setzte Bruno Taut mit farbigen Akzenten ein Zeichen für sozialen Wohnungsbau mit gestalterischem Anspruch.

Mit dem Bauhaus wurde das Denken zur Methode: Walter Gropius forderte eine neue Einheit von Technik, Handwerk und Kunst – und propagierte Architektur als gesellschaftliche Aufgabe.

Ludwig Mies van der Rohe, sein Nachfolger als Bauhaus-Direktor, verdichtete das Programm zur Formel: „Weniger ist mehr“. Sein Barcelona-Pavillon von 1929 gilt als Manifest für radikale Reduktion. Bis in die Gegenwart prägt das Bauhaus architektonische Projekte weltweit.

Gebaute Ansprüche
Rund 140.000 deutsche Architektinnen und Architekten erwirtschaften etwa 14 Milliarden Euro jährlich, teils ganz allein, teils in großen Büros mit internationalen Standorten und mehreren hundert Beschäftigten. Sie füllen mit Leidenschaft Tag für Tag die zeitgenössische Baukultur mit Leben – meist eher im Stillen, ohne große Geste.
Als Helmut Jahn Anfang der 1990er-Jahre den Frankfurter Messeturm vollendete, sprachen manche jedoch von einem neuen Selbstbewusstsein des wiedervereinigten Landes. Jahn nannte seinen Stil „romantisches Hightech“ – eine Verbindung aus technischer Kühnheit und städtebaulichem Pathos. Sein Sony Center am Potsdamer Platz ist bis heute ein Symbol für die Öffnung Berlins zur Welt.

Mit dem im Jahr 2001 eröffneten Jüdischen Museum in Berlin setzte Daniel Libeskind ein architektonisches Erinnerungszeichen, das nicht glätten will: Leerräume, abrupte Winkel, irritierende Geometrien.

Von Mystik bis Funktionalität
Gottfried Böhm wiederum schuf mit dem Wallfahrtsdom in Neviges 1968 eine skulpturale, fast mystische Betonarchitektur. „Ein Gebäude ist für den Menschen Raum und Rahmen seiner Würde“, sagte Böhm.

Auch Christoph Ingenhoven baut mit Haltung: nachhaltig und präzise, mit dem Schwerpunkt Hochhausbau – zum Beispiel in Tokio, Osaka und Sydney. Der 400.000 Quadratmeter große, 2017 fertiggestellte Gebäudekomplex „Marina One“ in Singapur ist eine Art urbaner Garten in der Vertikalen. Der Stuttgarter Hauptbahnhof, den Ingenhoven umbaut, gleicht mit seinen weit auskragenden Betonschalen einer eigenwilligen Landschaft.

Räume für die Zukunft
Zunehmend verschiebt sich der architektonische Fokus von der reinen Form zur Verantwortung. Das Büro Sauerbruch Hutton zeigt mit dem Museum Brandhorst in München oder dem Umweltbundesamt in Dessau, dass Nachhaltigkeit und Kreativität kein Widerspruch sind. Louisa Hutton ist es wichtig, energetische Fragen „in eine ganzheitliche Architekturbetrachtung mit einzubeziehen, sie auch gestalterisch anzugehen“.

Auch Jürgen Mayer H. steckt voller Ideen für die Zukunft: Mit dem Metropol Parasol in Sevilla schuf er 2011 eine riesige Holzkonstruktion, die als Marktüberdachung, Aussichtspunkt und Stadtraum zugleich fungiert – expressiv und unverwechselbar.

In Cambridge hat das Büro Behnisch mit dem Science Center der Harvard University einen futuristischen Ort für Forschung und Lehre realisiert.

Das Münchner Büro Henn entwirft zum Beispiel mit der BMW iFactory in Ungarn, dem neuen CERN Science Gateway in Genf oder der Westlake Universität im chinesischen Hangzhou Räume für Produktion und Forschung, die funktional, aber nicht seelenlos sind.

Anna Heringer aus Bayern schließlich baut in Bangladesch mit Lehm und lokalem Handwerk. Ihre METI Handmade School wurde mit internationalen Preisen ausgezeichnet. „Architektur ist ein Werkzeug, um Leben zu verbessern“, sagt sie.
