Humboldt Forum – ein Zentrum der Aufklärung
Das 2021 eröffnete Humboldt Forum in Berlin möchte die kulturelle Zusammenarbeit unter den Ländern vertiefen und ein neues Verhältnis zum globalen Süden entwickeln.
100.000 Kubikmeter Beton und 20.000 Tonnen Stahl, 9.000 Kubikmeter Sandstein, 958 Fenster und 24 Aufzüge: Das Humboldt Forum im wiederaufgebauten Berliner Schloss ist in vielerlei Hinsicht ein Jahrhundertprojekt. Zwischen 2020 und 2021 fertiggestellt und eröffnet, wurde mit dem Gebäude ein neues Zentrum der Kulturen und Wissenschaften errichtet – mitten im Herzen von Berlin, gegenüber der Museumsinsel und damit umgeben von berühmten Nachbarn wie der Alten Nationalgalerie, dem Alten und dem Neuen Museum sowie dem Pergamonmuseum.
Das Humboldt Forum – ein Zentrum der Kulturen und Wissenschaften
Vier Nutzer hat das neue Zentrum der Kulturen und Wissenschaften: das Ethnologische Museum und das für Asiatische Kunst – beide gehören zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz –, das Land Berlin mit der Dauerausstellung „Berlin Global“, die Humboldt-Universität mit einem Labor und die Stiftung Humboldt Forum, die wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen ausrichtet.
Entworfen wurde der Neubau von dem italienischen Architekten Franco Stella. Seine Neuinterpretation verbindet die rekonstruierte Barockfassaden des 1950 gesprengten historischen Baus mit einer zeitgenössischen Architektursprache. „Historie trifft auf Gegenwart und Zukunft und fügt sich zu einem neuen Bild zusammen“, heißt es auf der Website des Humboldt-Forums.
Koloniale Aufarbeitung spielt eine tragende Rolle
Seinem architektonischen Leitgedanken, Vergangenheit und Gegenwart zu einer neuen Zukunft zusammenzuführen, will das Humboldt Forum auch auf einer anderen Ebene gerecht werden. Denn einerseits handelt es sich mit den kunst- und kulturhistorischen Schätzen, die es beherbergt, um eines der größten und bedeutendsten Kulturvorhaben Deutschlands. Andererseits sind es genau diese Schätze, die schon vor der Eröffnung des Humboldt Forums in Deutschland und international zu Kontroversen führten: Die Herkunft vieler historischer Objekte ist ungeklärt, bei einigen hat sich herausgestellt, dass sie widerrechtlich in den damaligen Kolonien des Deutschen Reiches und anderer europäischer Staaten entwendet worden sind.
Die Geschichte des Kolonialismus gehört deshalb zum Kernthema vieler Ausstellungen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte in seiner Eröffnungsrede im September 2021, der Kolonialismus und seine Verbrechen, „Eroberung, Unterdrückung, Ausbeutung, Raub, Mord an Zehntausenden von Menschen“, seien in Deutschland „lange vergessen“ gewesen und immer noch „blinde Flecken“. Solange das Bewusstsein dafür nicht wachse, werde der Alltagsrassismus aber nicht enden. Erst wenn „dieses Forum tatsächlich zum Forum wird, zu einem Ort, an dem diese Debatten geführt werden ..., dann hätte sich die Frage nach seiner Sinngebung beantwortet“, sagte Steinmeier.
Historische Rückgabe von Bronzen an Nigeria
Einen ersten bedeutenden Schritt in Richtung Aufarbeitung des Kolonialismus ist Deutschland im Dezember 2022 gegangen: Außenministerin Annalena Baerbock brachte nach Jahrzehnten der Verhandlungen 20 Benin-Bronzen zurück nach Nigeria. Die Ministerin sprach von einem ersten Schritt, weitere Bronzen würden folgen. Die in Kolonialzeiten geraubten Kunstwerke gehörten zu Beständen von Museen in Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und Dresden/Leipzig. Mehr als 1.100 der Arbeiten aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, lagerten in rund 20 deutschen Museen. Die Objekte stammen aus britischen Plünderungen im Jahr 1897.
Seit 2010 ist das im Humboldt Forum untergebrachte Ethnologische Museum Mitglied der Benin Dialogue Group, in der Museen in Europa mit nigerianischen Partnern die Zukunft der Benin-Objekte in den Sammlungen der beteiligten Häuser erörtern. Die Provenienzforschung treibt Deutschland auch in vielen weiteren Staaten voran, etwa mit Tansania oder Papua-Neuginea. Von dessen Insel Luf stammt das Auslegerboot in der Ozeanien-Sammlung des Ethnologischen Museums. Die deutsche Institution steht in Kontakt mit dem Nationalmuseum von Port Moresby, „um die eurozentrischen Fragestellungen und Erkenntnisse vieler bisheriger Forschungen zu ergänzen und im Zuge der weiteren Recherchen und des Austausches auch die Ansichten der Partner in Papua-Neuguinea einbeziehen zu können“, heißt es auf der Website des Museums.
Die intensive Zusammenarbeit im Bereich Kultur und kulturelles Erbe eröffne die Chance, „ein gänzlich neues Verhältnis zum globalen Süden zu entwickeln“, sagte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger, der die Entstehung des Humboldt Forums begleitete. Und so wird auch das Humboldt Forum in Zukunft weiter dazu beitragen, Deutschlands koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten und die kulturelle Zusammenarbeit unter den Ländern zu vertiefen.
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