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Stoppt Zuwanderung den demografischen Wandel?

Deutschlands Bevölkerung schrumpft. Zuwanderung könnte das ausgleichen – oder? Warum das nicht so einfach ist, erklärt ein Bevölkerungsforscher.

14.08.2018
Lösung für demografischen Wandel: Fachkräfte anwerben.
Lösung für demografischen Wandel: Fachkräfte anwerben. © Getty Images

In Deutschland sterben jedes Jahr mehr Menschen als Kinder geboren werden. Kann die Aufnahme von Migranten den demografischen Wandel ausgleichen? Diese Frage beantwortet der Demograf Reiner Klingholz, Vorstand des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.

Bevölkerungsforscher Reiner Klingholz
Bevölkerungsforscher Reiner Klingholz © dpa

Herr Klingholz, kann Zuwanderung die demografischen Probleme in Deutschland lösen?
Das kommt darauf an, welchen Aspekt des demografischen Wandels man betrachtet. Wenn man das Schrumpfen als Problem sieht, kann Zuwanderung dem natürlich entgegenwirken. Wir brauchen im Moment pro Jahr etwa 200.000 Zuwanderer im Saldo, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten. Über die Zeit müssten es mehr werden. Die Frage ist: Will man die Bevölkerungszahl überhaupt stabil halten? Das ist ja kein Wert an sich. Der demografische Wandel bringt noch andere Probleme mit sich, etwa auf dem Arbeitsmarkt. Auch da kann Zuwanderung helfen. Das ist aber schwieriger, weil es hier nicht um die reine Zahl geht, sondern auch um die Fähigkeiten der Zuwanderer.

Wir müssten den Renteneintritt an die gestiegene Lebenserwartung anpassen.
Bevölkerungsforscher Reiner Klingholz

Was wäre nötig, damit noch mehr qualifizierte Arbeitnehmer nach Deutschland kommen?
Man sollte sich stärker daran orientieren, was Länder wie Kanada oder Australien machen. Also Fachkräfte tatsächlich „anwerben“ und dazu eine Plattform etablieren, die überall auf der Welt verständlich und zugänglich ist. Sie müsste genau erklären, wie Zuwanderung in Deutschland geregelt ist und in welchen Branchen Fachkräfte gesucht werden. Außerdem sollte sie Jobangebote machen und die Menschen darauf vorbereiten, was sie in Deutschland erwartet, indem sie zum Beispiel Sprachkurse schon in den Herkunftsländern vermittelt.

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Was könnte Deutschland dem demografischen Wandel sonst noch entgegensetzen?
Erstens: das Rentenalter erhöhen. Die Lebenserwartung steigt, und dieser Zuwachs an gesunden Lebensjahren muss irgendwie finanziert werden. Am besten würde man den Renteneintritt an die steigende Lebenserwartung koppeln. Heute arbeiten wir im Schnitt 40 Jahre und sind 20 Jahre im Ruhestand. Dieses Verhältnis von zwei zu eins sollte beibehalten werden. Das kann man auch gesetzlich verankern – mehrere skandinavische Länder haben es so gemacht. Ich halte das für eine sehr elegante Lösung, weil man sich dann nicht alle vier Jahre politisch über das Renteneintrittsalter streiten muss.

Zweitens: in Bildung investieren. Die Nachwuchsjahrgänge, die die steigenden Kosten des Systems schultern müssen, sollten so ausgebildet sein, dass sie die nötigen Einnahmen generieren können.

Drittens: mehr Frauen in den Arbeitsmarkt holen, nicht nur in Teilzeit. Das muss natürlich durch die Familienpolitik ermöglicht werden.

Interview: Helen Sibum

© www.deutschland.de