Zum Hauptinhalt springen

70 Jahre Bundeswehr: Von der Gründung bis zur Zeitenwende

Vom Kalten Krieg bis zur aktuellen Bedrohungslage: Die Bundeswehr blickt auf sieben Jahrzehnte Friedenssicherung, Bündnistreue – und auf immer neue Herausforderungen. 

Wolf ZinnWolf Zinn, 06.11.2025
Feierliches Gelöbnis im Bendlerblock Berlin, Sitz des Bundesverteidigungsministeriums
Feierliches Gelöbnis im Bendlerblock Berlin, Sitz des Bundesverteidigungsministeriums © Bundeswehr-Jana Neumann

Als am 12. November 1955 mit dem Gründungsakt der Bundeswehr die ersten Freiwilligen in Andernach ihre Ernennungsurkunden erhielten, war das ein historischer Neubeginn. Zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schuf die junge Bundesrepublik Deutschland eine Streitkraft, die bewusst nichts mit der früheren Wehrmacht gemein haben sollte. Ihr Auftrag, ihre Führung und ihre Legitimation waren von Anfang an demokratisch verankert. Das Leitbild der „Inneren Führung“ verstand Soldatinnen und Soldaten als Staatsbürger in Uniform – dem Grundgesetz verpflichtet, parlamentarischer Kontrolle unterstellt und gesellschaftlich institutionalisiert. 

Bundeskanzler Konrad Adenauer schreitet 1956 beim Besuch der neu aufgestellten Bundeswehr in Andernach die Formation ab.
Bundeskanzler Konrad Adenauer schreitet 1956 beim Besuch der neu aufgestellten Bundeswehr in Andernach die Formation ab. © Bundeswehr/Munker

Seit dem Beitritt zur NATO im Mai 1955 war Deutschland fest in das westliche Bündnissystem eingebunden. Im Kalten Krieg folgte die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr dem „Prinzip Abschreckung“. Wehrpflichtige dienten in einer Armee, deren gesamte Stärke in den 1980er-Jahren fast eine halbe Million Soldaten erreichte. Sie war Teil eines strategischen Gleichgewichts zwischen Ost und West – bereit zur Verteidigung, ausgerichtet auf Friedenserhalt. 

Die Bundeswehr nach der Deutschen Einheit 

Mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 wandelte sich die Streitkraft: Teile der Nationalen Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurden in die Bundeswehr integriert, Strukturen zusammengeführt, Personal reduziert. Die Parlamentsarmee blieb, die innere Neuorientierung war gewaltig: Aus einer Frontarmee des Kalten Krieges wurde eine gesamtdeutsche Armee im vereinten Europa.  

Zugleich übernahm Deutschland Verantwortung in internationalen Missionen der Vereinten Nationen (UN). Ab Mitte der 1990er-Jahre beteiligten sich deutsche Soldatinnen und Soldaten an Friedenseinsätzen auf dem Balkan – zunächst in Bosnien und Herzegowina, später in Kosovo. Seit 1999 ist die Bundeswehr Teil der NATO-geführten Kosovo-Truppe KFOR. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1994 klargestellt, dass solche Einsätze im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme zulässig sind, sofern der Bundestag zustimmt. 

Häuserkampf-Übung gemeinsam mit US-Soldaten auf einem Trainingsgelände in der Slowakei
Häuserkampf-Übung gemeinsam mit US-Soldaten auf einem Trainingsgelände in der Slowakei © Bundeswehr/Sebastian Nothing

Die Auslandseinsätze der 2000er-Jahre prägten eine neue Generation von Soldatinnen und Soldaten. In Afghanistan diente die Bundeswehr von 2001 bis 2021, zunächst im Rahmen der ISAF-Mission, später bei „Resolute Support“. Mehr als 150.000 Deutsche waren dort im Einsatz, 59 verloren ihr Leben. Der Auftrag lautete, ein sicheres Umfeld für Wiederaufbau zu schaffen – eine Mission, die militärisch und politisch an Grenzen stieß. 

Öffentliche Vorführung einer Panzerhaubitze
Öffentliche Vorführung einer Panzerhaubitze © Bundeswehr/Heike Westhöfer

Neben Afghanistan beteiligte sich die Bundeswehr an zahlreichen UN- und EU-geführten Einsätzen, etwa im Libanon (UNIFIL), in Mali (MINUSMA) und vor der Küste Somalias (ATALANTA). Diese Missionen machten die Bundeswehr zu einer international vernetzten Armee – eng eingebunden in NATO, EU und Vereinte Nationen. Die Zusammenarbeit mit Partnern wurde ausgebaut, etwa in gemeinsamen Kommandostrukturen mit den Niederlanden und Frankreich oder bei europäischen Ausbildungsinitiativen.  

Zusätzlich zu ihren Auslandseinsätzen leistet die Bundeswehr auch im Inland Unterstützung bei zivilen Katastrophen – etwa bei Hochwassern, Waldbränden oder während der Corona-Pandemie –, stets auf Grundlage verfassungsrechtlich geregelter Amtshilfe. 

Deutsche Soldaten bei dem 2023 beendeten UN-Einsatz in Mali
Deutsche Soldaten bei dem 2023 beendeten UN-Einsatz in Mali © Bundeswehr/Falk Bärwald

Zeitenwende und Zukunftsauftrag 

Mit dem Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 kam die „Zeitenwende“, wie es der damalige deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz formulierte. Seither gewinnt die Landes- und Bündnisverteidigung der Bundeswehr enorm an Bedeutung. Auch die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz, seit Mai 2025 im Amt, investiert hohe Milliardensummen in Verteidigungsfähigkeit und Rüstungsprojekte – was in der deutschen Öffentlichkeit auch angesichts des angespannten Haushalts kontrovers diskutiert wird. „Bedrohungslage geht vor Kassenlage“, machte Verteidigungsminister Boris Pistorius seinen Standpunkt klar. Zur Bereitschaft der Bundeswehr, gemeinsam mit den Armeen der Bündnispartner zunehmend Verantwortung zu übernehmen, zählt unter anderem die dauerhafte Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen, als Teil der NATO-Ostflanke. 

Verteidigungsminister Boris Pistorius (M.) bei einem Truppenbesuch in Litauen
Verteidigungsminister Boris Pistorius (M.) bei einem Truppenbesuch in Litauen © Bundeswehr / Jana Neumann

Auch die personelle Stärke der Bundeswehr steht auf der Agenda. Die allgemeine Wehrpflicht war 2011 ausgesetzt worden, nachdem sich die sicherheitspolitische Lage entspannt hatte – die Bundeswehr wurde zur Berufsarmee. Heute zählt sie rund 181.000 aktive Soldatinnen und Soldaten; mittelfristig sollen es 260.000 werden, ergänzt durch eine starke Reserve. Um diesen Aufwuchs zu stemmen, wird derzeit die rasche Wiedereinführung des Wehrdienstes in modifizierter Form diskutiert. 

In den 70 Jahren ihres Bestehens hat sich die Bundeswehr mehrfach neu erfunden, heute scheint ihre Bedeutung zur Sicherung einer friedlichen Zukunft größer denn je zu sein.