Führen mit Bodenhaftung
Als Einsatzleiterin der Polizei Mittelhessen führt Carina Lerch rund 2.000 Menschen. Doch sie bleibt nah an der Basis und fährt sogar manchmal mit auf Streife.
Als junge Polizistin fuhr Carina Lerch in Marburg ihre ersten Streifen – und erlebte in der ersten Nachtschicht einen tödlichen Unfall auf der Stadtautobahn. „Das vergesse ich nicht“, sagt sie. Heute, knapp drei Jahrzehnte später, leitet die 47-Jährige die Abteilung Einsatz in Mittelhessen und ist somit Chefin von rund 2.000 Polizei-Bediensteten – von Verkehrs- und Schutzpolizei bis zur Kriminalpolizei. „Unsere Aufgabe ist Sicherheit. Wir schützen Grundrechte“, bringt Lerch die Polizeiarbeit auf den Punkt.
Bunte Vielfalt
Ursprünglich wollte Lerch auf Lehramt oder Jura studieren, bis ihr eine sympathische Polizistin die Möglichkeiten des Jobs in leuchtenden Farben schilderte. „Reiterstaffel, Diensthunde, Hubschrauber, Motorboote – diese Vielfalt hat mich fasziniert“, erinnert sich Lerch. Nach dem Studium in Kassel, Stationen bei Schutz- und Kriminalpolizei sowie in einer Ermittlungsgruppe gegen organisierte Kriminalität folgte der Master an der Polizeihochschule in Münster, um sich für Führungsaufgaben zu qualifizieren. Anschließend leitete sie unter anderem ein Mobiles Einsatzkommando und die Pressestelle der Frankfurter Polizei.
Dieses YouTube-Video kann in einem neuen Tab abgespielt werden
YouTube öffnenInhalte Dritter
Wir verwenden YouTube, um Inhalte einzubetten, die möglicherweise Daten über deine Aktivitäten erfassen. Bitte überprüfe die Details und akzeptiere den Dienst, um diesen Inhalt anzuzeigen.
Einverständniserklärung öffnenDer Neutralität verpflichtet
„Ich habe viele Lagen geführt – Entführungen inklusive“, sagt Lerch nüchtern; und ergänzt: „Prinzipiell führe ich gern von vorne“. Soll heißen: raus zum Einsatzort, statt im Lagezentrum zu bleiben. „So bekomme ich ein besseres Gespür für Stimmung und Dynamik.“ Hin und wieder fährt sie bewusst Streife mit: „Das gibt einen realen Einblick.“ Dazu zählt auch die Erfahrung, dass die Polizei nicht bei jedem beliebt ist. Vor allem auf Demonstrationen entlädt sich oft Unmut gegenüber den Einsatzkräften. „Wir sind neutral. Unsere persönlichen politischen Ansichten lassen wir zu Hause und sorgen für Recht und Ordnung“, betont Lerch.
Auch die Gefahren des Berufs hat Lerch kennengelernt. In ihrem ersten Praxisjahr bedrohte sie ein Gewalttäter am Frankfurter Flughafen mit einem Messer. Der Zugriff gelang – dank Teamgeist. „Das hat gezeigt, wie wichtig der Zusammenhalt bei uns ist.“ Lerch beherrscht die japanische Kampfkunst Jiu-Jitsu und geht regelmäßig zum Schießtraining. Gleichwohl räumt sie mit Krimi-Klischees auf: „Meist wird unterschätzt, wie viel Schreibtischarbeit und Aktenstudium dazugehören.“
Noch zu wenig Frauen in Spitzenpositionen
Privat ist Carina Lerch Mutter einer Tochter. Nach der Geburt nahm sie Elternzeit, kehrte zunächst in Teilzeit zurück – für sie ein Zeichen, dass Familie und Beruf bei der Polizei vereinbar sind. Gleichzeitig sei klar: „Bei der Förderung von Frauen für Spitzenpositionen gibt es noch Luft nach oben.“ Junge Kolleginnen sehen in ihr heute ein Vorbild und suchen ihren Rat. Was sie antreibt? „Ich mag den Dienst am Menschen“, sagt Lerch.