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Ein Blick auf Europa aus Spanien

Die Bedeutung der EU in der Welt wird schrumpfen, aber Migranten werden sie retten, schreibt Ana Carbajosa von El Pais.

Ana Carbajosa, 06.03.2020
Madrid: Die Kathedrale La Almudena.
Madrid: Die Kathedrale La Almudena. © mukilp22 - stock.adobe.com

Wir haben Journalisten aus europäischen Staaten nach der Zukunft Europas gefragt – lest hier die Antwort von Ana Carbajosa. Sie schreibt für die spanische Tageszeitung El Pais.

Der Rhythmus ist ein anderer. Alles läuft schneller, und die Veränderungen finden in Höchstgeschwindigkeit statt. Vorauszusagen, wie das Europa der Zukunft sein wird, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Aber wir können Tendenzen erahnen. Wir wissen, dass es notwendigerweise anders sein wird als das Europa, das wir kennen – wahrscheinlich kleiner, älter und noch weniger vorhersagbar.

Die Bedeutung des Westens und Europas wird abnehmen.
Ana Carbajosa, El Pais

Kleiner nicht unbedingt, weil es weniger Mitglieder haben wird. Es geht nicht darum, dass der Brexit einen Dominoeffekt in Gang setzen wird und die anderen Länder Schlange stehen werden, um den Club zu verlassen. Im Gegenteil. Vielleicht werden neue Mitglieder hinzukommen. Es geht darum, dass Europa unweigerlich an Gewicht in der Welt verlieren wird; wirtschaftliches und demographisches Gewicht in einer Welt, die sich durch den bisher unaufhaltsamen Aufschwung Chinas als geopolitische Macht verändern wird. Die Bedeutung des Westens und Europas wird dadurch notwendigerweise abnehmen.

Spanien könnte eine Schlüsselrolle spielen

Der Brexit ist eine Art Thermometer, das zeigt, was es bedeutet, den Club zu verlassen. Niemand weiß, wie der Nachbar sich entwickeln wird. Fest steht, dass der EU mit dem Brexit die nach Deutschland zweitgrößte Wirtschaftskraft verloren geht. Das bedeutet, dass die EU weniger für die Verteilung zur Verfügung haben wird. Der Brexit wird auch eine neue Ordnung anstoßen, was Allianzen und das Machtgleichgewicht betrifft. Spanien könnte dabei als großes proeuropäisches Land eine Schlüsselrolle zwischen Paris und Berlin spielen.

Diese neue Ordnung wird auch die politische Landschaft Europas verändern, da Konservative und Sozialisten zusammen nicht mehr das Ruder in Händen halten, auch die einzelnen Parlamente sind zersplittert. Die Zukunft der Union wird also davon abhängen, wie die Allianzen im EU-Parlament und in den Ländern aussehen werden.

Migranten der 4. und 5. Generation werden dem Kontinent neuen Schwung geben.
Ana Carbajosa, El Pais

Schließlich wird das Gesicht Europas ein anderes sein, notwendigerweise diverser als zuvor – mit Migranten der 4. oder 5. Generation, die dem Kontinent neuen Schwung geben, die ihn wiederbeleben werden. Ohne sie würde die EU viel schneller altern und noch mehr Einwohner verlieren. Es werden mehr Menschen zu uns nach Europa kommen, und sie werden die europäische Wirtschaft und den europäischen Arbeitsmarkt retten.

Ana Carbajosa, hat in Madrid, Brüssel und Boston Jura studiert und ist seit 2001 im Journalismus tätig. Sie war Korrespondentin in Brüssel, Jerusalem und jetzt in Berlin.

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