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„Das Recht man selbst zu sein“

Riccardo Simonetti möchte Menschen zu mehr Toleranz inspirieren. Dafür engagiert er sich seit vielen Jahren in den Medien für die queere Community.

Interview: Kim Berg, 17.11.2021
 Riccardo Simonetti engagiert sich für mehr Toleranz in Europa.
Riccardo Simonetti engagiert sich für mehr Toleranz in Europa. © picture alliance/dpa

Menschen und ihre Ideen prägen Deutschland. Mit der Kampagne #GermanyinPerson stellen wir euch verschiedene Gesichter Deutschlands vor. Wir zeigen euch, wie diese Menschen mit ihren individuellen Perspektiven und unterschiedlichen Hintergründen die Gesellschaft prägen.

Er ist LGBTQ-Sonderbotschafter des Europäischen Parlaments , Aktivist, Entertainer, Bestsellerautor und Moderator: Riccardo Simonetti ist aus der deutschen Medienwelt nicht mehr wegzudenken. Heute nutzt der Wahlberliner seine Reichweite, um der LGBTQ-Community zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen.

Du bist in einer bayerischen Kleinstadt aufgewachsen. Was waren deine ersten Schritte in der Medienwelt?
Ich habe früh gemerkt, dass ich mich für Dinge interessiere, für die sich vermeintlich weniger Jungs in meinem Alter interessiert haben. Es war zum Beispiel skandalös, wenn Jungs mit Puppen spielen wollten, was ich immer gerne mochte. Da habe ich gemerkt, wenn du dich in irgendeiner Form von dem unterscheidest, was alle anderen machen, dann wirst du auch anders behandelt. Das hat sehr viel ins Rollen gebracht, weil man einerseits lernt, perfekt sein Umfeld zu studieren, um zu wissen, was man tun muss, um zu „überleben“. Auf der anderen Seite lernt man Spielchen zu spielen, um trotzdem an die Dinge zu kommen, die man möchte.

Irgendwann fragt man sich dann, ob man wirklich immer „spielen“ möchte, um die Dinge zu bekommen, die selbstverständlich sein sollten, nämlich das Recht man selbst zu sein. Das war eine elementare Frage, die mich meine ganze Jugend begleitet hat. Auf Social Media habe ich dann angefangen Kurzgeschichten darüber zu schreiben, was ich erlebe und was ich gerne erreichen möchte. Ich habe schnell gemerkt, dass ich damit bei vielen Menschen auf Interesse stoße. Das hat mir ein Erfolgsgefühl gegeben und mich motiviert weiterzumachen. Mein Blog wurde nach und nach immer erfolgreicher, bis ich sogar zu Events eingeladen wurde, um darüber zu berichten.

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Wann hast du dich dafür entschieden, deinen Erfolg für mehr Sichtbarkeit der queeren Community einzusetzen?
Ich habe gemerkt, dass wir in zwei Blasen leben. Die eine Blase ist super tolerant und empathisch. Die andere Blase möchte von alldem nichts wissen. Ich finde es wichtig, dass man nicht weiterhin in diese zwei-Blasen-Gesellschaft reinwächst und so immer weiter Menschen diskriminiert werden.

Was nützt der Erfolg, wenn es Menschen nicht leichter haben, durch das was ich erreiche? Wenn ich nichts verbessere, dann ist das alles auch nichts wert. Man muss zu einer queeren Nervensäge werden und die Leute immer wieder daran erinnern, dass das Thema immer noch aktuell ist. Es ist super wichtig, den Dialog zwischen den beiden gesellschaftlichen Blasen herzustellen. Das ist eine Aufgabe, der ich mich bis heute widme.

Du bist auf dem Land aufgewachsen und lebst heute in der Stadt. Gibt es ein Toleranzgefälle zwischen Stadt und Land?
Wenn ich zum Beispiel auf Instagram einen Post mache, nachdem ich eine Kita besucht habe, dann prasseln tausende von homo- und transphoben Kommentaren auf mich ein. Wenn man die liest, dann würde man eigentlich denken, dass sind Menschen, die irgendwo auf dem Land leben und mit Diversität nicht oft in Kontakt kommen. Aber das stimmt nicht. Das sind auch junge Menschen in meinem Alter, die in Berlin-Mitte wohnen und trotzdem so ein Mindset mit sich rumtragen.

Es ist tückisch, wenn wir uns darauf verlassen, dass Intoleranz und Hass immer weit weg von uns passieren. Das sind Menschen, mit denen wir einkaufen gehen oder mit denen wir zusammen in der Bahn fahren. Es gibt keine regionale Grenze, an der Homophobie aufhört oder anfängt. Deshalb ist es ein wichtiges Ziel, dass intolerante Menschen nicht nur merken, dass ihr Mindset nicht in Ordnung ist, sondern dass sie faktisch auch gegen das Gesetz handeln.

Intolerante Menschen müssen  merken, dass sie faktisch gegen das Gesetz handeln.
Riccardo Simonetti

Wie hast du dich gefühlt, als das Europäische Parlament dir den Posten als LGBTQ-Sonderbotschafter angeboten hat?
Die Entscheidung LGBTQ-Sonderbotschafter der EU zu werden, war für mich nicht einfach. Ich hab überlegt, ob ich mir damit einen Gefallen tue und ob das nicht alles noch viel komplizierter macht. Es hat eine Zeit gedauert, bevor ich das Ehrenamt angenommen habe. Aber wenn ich dazu beitragen kann, dass das Thema LGBTQ mehr in die Mitte der Gesellschaft rückt und ich Menschen zeigen kann, wie es auch in anderen Ländern aussieht, fühle ich mich verpflichtet das auch zu machen. Denn ich weiß, dass nicht viele Menschen die Chancen bekommen, die ich heute habe. Und natürlich ist es eine große Ehre.

Hat sich die Einstellung in der deutschen Gesellschaft gegenüber der queeren Community in den vergangenen Jahren verändert?
Wir haben den Moment verpasst, dass die Einstellung zur queeren Community zum Mainstream wurde. Anfang der 1990er-Jahre hat Kurt Cobain ein Kleid getragen und hat damit das Statement gesetzt, dass er Feminist ist. Er wurde dafür als Rockstar gefeiert. Die Lebensrealität von queeren Menschen auf der Straße hat sich dadurch aber nicht verändert, weil die Gesellschaft verpasst hat ihm wirklich zuzuhören.

30 Jahre später trägt der Rapper Kid Cudi ein Kleid und wird wieder dafür gefeiert. Aber wieder fragt sich niemand, ob sich die Lebensrealität von queeren Menschen dadurch ändert. Es wiederholt sich immer wieder, aber die Menschen verpassen es immer wieder richtig zuzuhören und zu verstehen, worum es eigentlich geht.

Es ist unsere Aufgabe, dass sich die Geschichte nicht wiederholt und zumindest im Mainstream etwas von den Botschaften hängen bleibt.

Mehr spannende Persönlichkeiten und Infos zur Kampagne findet ihr auf unserem Instagramkanal.

© www.deutschland.de

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