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Demokratie schützen und verteidigen

Bildung kann in Krisenzeiten zum „Gamechanger“ werden. Die Direktorin der Ukrainischen Freien Universität Maria Pryshlak erklärt, warum.

Maren van Treel, 08.08.2022
Professorin Maria Pryshlak, Direktorin der Ukrainian Free University
Professorin Maria Pryshlak, Direktorin der Ukrainian Free University

Seit über 100 Jahren gibt es die Ukrainische Freie Universität (UFU). Ihren Sitz hat sie seit 1945 in München. Rektorin Professorin Maria Pryshlak erklärt, wie die UFU mit dem Krieg in der Ukraine umgeht und wieso Bildung gerade in diesen Zeiten so wertvoll ist.

Wie wirkt sich der Krieg in der Ukraine auf die Universität aus?
Der Krieg hat jeden Hauch von Normalität an der UFU zerstört. Der gewohnte Ablauf des Universitätslebens wurde bereits durch die Pandemie gestört, aber der Krieg hat das universitäre Leben zum Erliegen gebracht. Unser Wintersemester wurde unterbrochen, weil unsere Lehrenden und Studierenden in der Ukraine einen großen Teil des Tages in Bombenkellern verbrachten. Mehrere von ihnen  meldeten sich sofort zu den Einheiten der Territorialen Verteidigung. Einige unserer Studeierenden aus München kehrten in die Ukraine zurück, um dem Militär beizutreten. Die Verwaltung begann umgehend mit der schwierigen Evakuierung der Studierenden und der Dozentinnen und Dozenten – jedenfalls derjenigen, die das Land verlassen konnten. Bei anderen versuchten wir, ihre Familien zu evakuieren.

Blick in den analogen Teil der Bibliothek.
Blick in den analogen Teil der Bibliothek. © picture alliance/dpa

Wie hilft die UFU ukrainischen Geflüchteten?
Unsere Universität unterstützt den Integrationsprozess und stellt die notwendigen Informationen für die Unterstützung durch Sozial- und Arbeitsagenturen bereit. Wir haben ein pädagogisches und psychologisches Programm gestartet, um Müttern und Kindern zu helfen, das Trauma der Flucht zu überwinden. Außerdem haben wir ein Hilfszentrum eröffnet, das Flüchtlingen rechtliche Informationen sowie psychologische, soziale und arbeitsrechtliche Beratung und Unterstützung bietet.

Und was kann die UFU für ihre Studierenden und das Lehrpersonal tun?
Die Verwaltung übernahm Aufgaben der Flüchtlingshilfe und der humanitären Hilfe für die Ukraine. Sie organisierte etwa Krankenwagen, Medikamente, Lebensmittel und Kleidung. Monatelang beschäftigten uns nicht mehr Bildungsfragen, sondern wir kümmerten uns um humanitäre Hilfe. Heute arbeitet die Universität zweigleisig – zum einen in der Flüchtlingshilfe und der Hilfe für die Ukraine, zum anderen in der Ausbildung der Studierenden. Die Universität versorgt unsere Studierenden und die Lehrenden, die mit wenig Hab und Gut in München angekommen sind, mit der nötigen Kleidung und mit Computern, damit sie erfolgreich akademisch arbeiten können.

Das ist aber nur ein Teil der Hilfe. Wir unterstützen unsere Studierenden bei der Wohnungssuche, bieten Stipendien, Deutschkurse, Jobcoaching und psychologische Betreuung für traumatisierte Menschen.

Die Idee hinter der UFU ist, den Studierenden die Möglichkeit zu bieten, „auf der Grundlage westlicher Werte“ zu studieren. Welche Rolle spielt diese Idee in Zeiten wie diesen?
Wenn wir mit „westlichen Werten“ Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenrechte, staatsbürgerliche Verantwortung meinen – alles Grundlagen der Demokratie –, dann ist die Förderung westlicher Werte heute wie auch in aller Zukunft immens wichtig. Bildung ist ein Weg, um informierte, engagierte Bürger in die Lage zu versetzen, die Demokratie zu verteidigen und zu schützen.

Studierende sind die besten Wächter und Unterstützer der Demokratie.
Professorin Maria Pryshlak, Direktorin der Ukrainian Free University

Der Krieg zwischen der Ukraine und Russland ist ein Krieg zwischen Freiheit, Menschenrechten und Demokratie auf der einen Seite und russischem Imperialismus, Autokratie, Missachtung von Freiheit, Menschenrechten und Souveränität der Nationen auf der anderen Seite. Es ist gut dokumentiert, wie die russische Regierung durch Desinformation soziale Spaltung in Europa sät, extremistische Gruppen unterstützt, um Missstände zu verschärfen, Zwietracht zu säen und Unfrieden zu schüren.

Wie kann Bildung dieser Desinformation entgegenwirken?
Indem wir Menschen zu kritischen Geistern erziehen, die unabhängig denken und ein Gefühl für bürgerliche Pflichten und Verantwortung haben. Dann lassen sie sich nicht so leicht von Fehlinformationen in die Irre führen, noch entwickeln sie  eine „Herdenmentalität“ oder hören auf leere oder falsche Slogans. Menschen mit solch einem Hintergrund sind die besten Wächter und Unterstützer der Demokratie, sie beobachten alle Versuche, demokratische Werte auszuhöhlen. Sie schützen unsere kostbaren Freiheiten.

Die UFU in München.
Die UFU in München. © picture alliance/dpa

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