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Zocken für eine bessere Welt

Nachhaltigkeit durch virtuelle Spiele lernen: Wie kann das funktionieren? Diese Frage beantwortete der Game Jam „Tomorrowcraft“.

Kim Berg, 12.07.2021
GameJam
© AdobeStock

Egal ob „Die Sims“, „Age of Empires“ oder „Assassins Creed“, Computerspiele transportieren immer auch Werte – und können deshalb auch gezielt für die Vermittlung kultureller und politischer Perspektiven eingesetzt werden.

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) veranstaltet daher Game Jams, in denen Gamer, Programmierer und Aktivisten gemeinsam Bildungsspiele zu unterschiedlichen Themen entwickeln. Im Mai 2021 kooperierte die bpb dabei erstmals mit dem Auswärtigen Amt. Unter dem Titel „Tomorrowcraft – Global Sustainability Game Jam“ trafen sich Gamer, gesellschaftliche Akteure und Game-Designer aus der ganzen Welt drei Tage online, um in interdisziplinären Teams Spiel-Prototypen zum Thema nachhaltige globale Entwicklung zu entwickeln.

„Bei ‚Globale Nachhaltigkeit‘ war es uns wichtig, das Thema nicht nur aus deutscher Perspektive zu bearbeiten“, sagt Kaspar Meyer, Referent im Auswärtigen Amt. In Deutschland werde beim Thema Nachhaltigkeit vornehmlich an die Umwelt gedacht. Andere Nachhaltigkeitsziele wie Geschlechtergerechtigkeit oder intersektionale Diskriminierung seien weniger im Blick. „Diese Themen sind in anderen Ländern manchmal sehr viel präsenter“, sagt Meyer.

Mit individuellen Fähigkeiten globale Probleme lösen

Es war wichtig unter den Teilnehmenden einen möglichst vielfältigen Mix aus gesellschaftlichen und politischen Aktivisten sowie Gamern und Games-Produzenten zu finden. „Uns ging es darum, Menschen mit verschiedenen Hintergründen zu vernetzen, damit sie mit ihren individuellen Fähigkeiten spielerische Lösungen für globale Probleme erarbeiten“, erklärt Meyer.

  Tamiris lebte und studierte in Großbritannien und Deutschland.
Tamiris lebte und studierte in Großbritannien und Deutschland. © privat

Rund 60 Teilnehmende aus 30 Ländern beteiligten sich an Tomorrowcraft. Unter ihnen war auch die Brasilianerin Tamiris Cristhina Resende. Gemeinsam mit zwei Deutschen und einem Ägypter arbeitet sie an einem Game, das die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes thematisiert. „Der Coronavirus hat gezeigt, welche Folgen das Eindringen in Ökosysteme auf die ganze Welt haben kann. Das gilt auch für den Amazonas-Regenwald. Wir wissen nicht, wie viele unbekannte Viren es dort gibt. Deshalb zeigen wir in unserem Spiel, dass die Gesundheit von Menschen, Tieren und der Umwelt eng miteinander verwoben sind“, erklärt Tamiris.

Uns ging es darum, Menschen mit verschiedenen Hintergründen zu vernetzen, damit sie mit ihren individuellen Fähigkeiten spielerische Lösungen für globale Probleme erarbeiten.
Kaspar Meyer, Auswärtiges Amt

In ihrem Game laufen Spieler oder Spielerin mit einem Affen durch den Regenwald und treffen während der Mission auf andere Tiere, die vom Aussterben bedroht sind. Dabei geraten sie in Kontakt mit Menschen und Viren, erleben Abholzung, Verschmutzung und illegale Müllentsorgung. So sollen sie für die Zerstörung des Regenwaldes sensibilisiert werden.

Tamiris, die in Business-Administration promoviert, hatte zuvor keine Erfahrung mit Spieledesign. Sie hat daneben vor allem die Arbeit mit Menschen aus anderen Ländern gereizt. „Ich musste morgens um fünf Uhr aufstehen, um teilzunehmen. Das hat mich aber nicht gestört, weil ich sehr motiviert war und mir das Thema und die internationale Zusammenarbeit sehr viel Spaß gemacht haben.“

Ernste Botschaft hinter freundlicher Fassade

„Team Borsch“ hatte vor dem Game Jam bereits Gaming-Erfahrungen. Das Quartett aus den deutschen Spiele-Designern Sophie Kawakami, Paula Shrayber, Jan Suchanek und Felix Mundschenk entwickelte ein fantastisches Dorf. Bei den Menschen in diesem Dorf müssen drei verschiedene Werte ausgeglichen werden. „Der Wille nachhaltig zu leben ergibt sich aus drei Aspekten“, sagt Felix. „Die Menschen müssen glücklich sein, genug Geld haben und trotzdem die Natur schützen. Das haben wir in unserem Spiel aufgegriffen.“ Geht einer der drei Werte nach unten, ist das Spiel verloren. „Uns war es wichtig, ein leichtes und lockeres Spiel zu kreieren, um potentiellen Spielern  nicht den Zeigefinger vorzuhalten. Deshalb haben wir das Spiel freundlich und kindgerecht verpackt, aber die Message dahinter ist natürlich eine ernste“, erklärt der Game-Designer.

Felix nahm bereits an zahlreichen Serious Game Jams teil, so an dem internationalen Austauschprogramm für Spieleentwickler aus der ganzen Welt „Game’n’Train Mixer“ des Goethe-Instituts.
Felix nahm bereits an zahlreichen Serious Game Jams teil, so an dem internationalen Austauschprogramm für Spieleentwickler aus der ganzen Welt „Game’n’Train Mixer“ des Goethe-Instituts. © privat

Felix nahm nicht zum ersten Mal an einem Game Jam teil. Dennoch war die internationale Zusammenarbeit bei Tomorrowcraft etwas Besonderes. Denn vor dem eigentlichen Designen der Games veranstalteten bpb und Auswärtiges Amt einen Convention-Tag, an dem die Themen vorgestellt und in virtuellen Räumen diskutiert wurden. „Ich selbst war mit zwei Gamern aus Bangladesch und zwei aus Deutschland in einem Raum. Wir haben über die Illusion der Nachhaltigkeit von importierten Gütern gesprochen. Es war superspannend dieses Thema mal aus Sicht der Produzenten und nicht aus Sicht der Konsumenten zu besprechen“, erzählt Felix. Über die internationale Kommunikation habe er einen neuen Blick auf viele Dinge bekommen.

Mit dem Game Jam ist die Kooperation der Teams aber nicht beendet. Die meisten Teilnehmer entwickeln darüber hinaus ihre Spiele weiter. So auch Team Borsch und die Gruppe von Tamiris.

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