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Die Vertrauensfrage – was ist das?

Stabilität auch in Koalitionskrisen: Die deutsche Demokratie folgt im Umgang zwischen Regierung und Bundestag klaren Regeln.

12.11.2024
Das deutsche Parlament: der Reichstag in Berlin
Das deutsche Parlament: der Reichstag in Berlin © dpa

Das Grundgesetz garantierte eine stabile Demokratie

Die deutsche Demokratie gründet auf im Grundgesetz festgelegten Regeln. Ihr zentrales Ziel ist, dass die Regierung von einer Mehrheit im Parlament unterstützt wird. Die Regeln garantieren Stabilität auch in Zeiten einer Regierungskrise. Dies ist unter anderem der Fall, wenn eine Koalition zerbricht, weil eine Partei die Regierung verlässt. Dann stellt sich die Frage, ob die Politik der Regierung noch vom Parlament, dem Bundestag, mehrheitlich unterstützt wird – die Voraussetzung für eine demokratisch legitimierte Regierung.

Bundeskanzler fragt Abgeordnete: Vertraut ihr meiner Arbeit?

Wenn eine Regierung nicht mehr sicher ist, ob ihre Politik von einer Mehrheit im Parlament unterstützt wird, kann der Regierungschef, also der Bundeskanzler, nach Artikel 68 des Grundgesetzes die „Vertrauensfrage“ stellen. Er lässt im Bundestag darüber abstimmen, wer ihn unterstützt. Dies kann er mit einer Abstimmung über einen Gesetzentwurf verbinden, also an die Entscheidung über eine wichtige Sachfrage knüpfen. Zwischen dem Antrag auf Abstimmung und der Abstimmung selbst müssen 48 Stunden liegen – Zeit für weitere Beratungen. Stimmt die Mehrheit für den Kanzler, gibt es keinen Grund zu handeln und die Regierung wird ihre Arbeit fortsetzen.

Was passiert, wenn das Parlament mehrheitlich der Regierung nicht vertraut? 

Erhält die Regierung in der Abstimmung der „Vertrauensfrage“ keine Mehrheit, kann der Bundespräsident, das deutsche Staatsoberhaupt, den Bundestag innerhalb von 21 Tagen auflösen und Neuwahlen ansetzen. Das Ziel dabei ist, nach den Wahlen wieder eine Regierung zu bekommen, die von einer Mehrheit im Parlament unterstützt wird. Sollte der Bundestag noch vor seiner Auflösung einen anderen Kanzler oder eine andere Kanzlerin wählen, darf er nicht mehr aufgelöst werden. Die Wahlen müssen innerhalb von 60 Tagen nach Auflösung des Parlaments stattfinden.

Wie oft in der Geschichte wurde die Vertrauensfrage gestellt?

In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde erst fünf Mal die Vertrauensfrage gestellt. Drei Mal bekam die Regierung keine Mehrheit und jedes Mal wurde das Parlament aufgelöst und neu gewählt. 1972 verlor Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) die Abstimmung, gewann aber wie von ihm erhofft die nachfolgenden Wahlen. 1982 verlor Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) seine Mehrheit und der Bundestag wählte Helmut Kohl (CDU) zum Bundeskanzler. Um seine Kanzlerschaft auch durch die Bevölkerung zu legitimieren, stellte er die Vertrauensfrage, die er wie von ihm geplant verlor. Die notwendigen Neuwahlen gewann er. 2005 verlor Gerhard Schröder (SPD) die Vertrauensabstimmung, nach den folgenden Wahlen wurde Angela Merkel (CDU) Bundeskanzlerin.