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Wo Einhörner gut gedeihen

Die Zahl der deutschen Startups steigt – sogar derjenigen mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar.  

Axel Novak , 26.06.2025
In Deutschland werden immer mehr Startups gegründet.
In Deutschland werden immer mehr Startups gegründet. © iStock / Peopleimages

Seine eigenen Ideen realisieren und damit voll durchstarten – das ist der Traum vieler Unternehmensgründer. In Deutschland wächst die Bereitschaft, an der Verwirklichung dieses Traums zu arbeiten: Im Jahr 2024 wurden 2.766 Startups gegründet, elf Prozent mehr als im Vorjahr. Die Vielfalt der Unternehmen ist fast unbegrenzt und spiegelt den technologischen Aufbruch wider – von KI-gestützter Diagnostik über nachhaltige Mobilität bis zu smarter Agrartechnik. 

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Quantune zum Beispiel. Das 2020 gegründete Berliner Startup hat ein Mini-Spektrometer für das Handgelenk entwickelt. Damit lassen sich Biomarker wie Glukose, Laktat, Cholesterin oder Harnsäure einfach, schnell und in Echtzeit messen. Das Healthtech-Unternehmen wurde bereits mehrfach ausgezeichnet – unter anderem verlieh die staatliche KfW-Bank Quantune den „KfW Award Gründen“. Und, besonders wichtig: Das Startup hat eine erste Finanzierungsrunde erfolgreich abgeschlossen. 

Berlin für Gründerinnen und Gründer: kreativ, günstig, international 

Berlin ist längst ein Epizentrum der deutschen Gründerszene. Entwickler, Designer, Business Professionals aus aller Welt zieht es an die Spree. Jeder dritte Gründer hat einen internationalen Hintergrund. Warum ist die deutsche Hauptstadt so ein Magnet? Ganz einfach: Berlin ist eine attraktive Metropole, vergleichsweise günstig und hat noch einen großen Vorteil: Viele deutsche Wagniskapitalgeber sind hier präsent.

Noch vor zehn Jahren war Risikokapital in Deutschland rar. Innovative neue Unternehmen gingen nach dem ersten Startschuss schnell ins Ausland. Heute ist das anders: Die Finanzierung in der Frühphase funktioniert gut. Viel privates Geld fließt in junge Unternehmen. Auch Bund, Länder und Kommunen fördern an vielen Stellen. Der staatliche Zukunftsfonds stellt bis 2030 zehn Milliarden Euro für Startups bereit. Auch für spätere Phasen gibt es viele Möglichkeiten, Kapitalgeber und Startups zusammenzubringen, bald auch auf EU-Ebene. „Die Weiterentwicklung des europäischen Kapitalmarktes ist ein Schlüssel für den langfristigen Erfolg von Startups hier“, sagt Sebastian Pollok vom Startup-Verband. „Börsengänge bieten die Chance, nicht nur die globale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu stärken, sondern auch einen sich selbst tragenden Finanzierungskreislauf für Startups zu schaffen.“ 

Sebastian Pollok vom Startup-Verband
Sebastian Pollok vom Startup-Verband © Startup Verband

Silicon Saxony an der Elbe 

Szenenwechsel: In Dresden an der Elbe macht Bitteiler auf sich aufmerksam. Die Ausgründung der Technischen Universität hat eine Software entwickelt, die Sensordaten mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) komprimiert. „Das bedeutet, dass sie mehr Sensoren einsetzen, bessere Daten erfassen und stärkere KI-Modelle trainieren können, ohne Ihre Infrastruktur aufrüsten zu müssen“, erläutert Gründerin Maroua Taghouti auf LinkedIn. Anwendungsbereiche sind die industrielle Fertigung und die Robotik. Bitteiler beschäftigt weniger als zehn Mitarbeitende, war aber im April 2025 auf der Hannover Messe vertreten, dem wohl größten Schaufenster der deutschen Industrie. 

Zugleich ist Bitteiler ein gutes Beispiel für die Ökosysteme, die sich auch in anderen Regionen Deutschlands abseits der Metropolen gebildet haben. In Sachsen sind in den vergangenen Jahren fast 700 Startups entstanden, darunter mit Staffbase und Sunfire zwei milliardenschwere sogenannte Einhörner, also Startups mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Dresden ist heute „Silicon Saxony“, eines der führenden Mikroelektronik-Cluster Europas. Global Player wie Infineon, Bosch oder GlobalFoundries kooperieren mit mittelständischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen wie der TU Dresden oder den Einrichtungen der Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft sowie der Helmholtz-Gemeinschaft. Dies befeuert neue Geschäftsmodelle. Hinzu kommt, dass die Lebenshaltungs- und Betriebskosten in Dresden relativ niedrig sind. Das schafft finanziellen Freiraum für Gründerinnen und Gründer. 

Hightech in historischem Ambiente: Dresden ist ein Mikroelektronik-Cluster.
Hightech in historischem Ambiente: Dresden ist ein Mikroelektronik-Cluster. © iStock

Dichtes Netzwerk in München 

Kostspieliger ist das Leben dagegen in München. Die beliebte bayerische Landeshauptstadt hat vor allem rund um die Technische Universität München (TUM) ein effizientes, dichtes und äußerst erfolgreiches Ökosystem aufgebaut. Gerade hat die Financial Times den dortigen Startup-Hub UnternehmerTUM erneut auf Platz eins in Europa gehoben. 

Die Münchner unterstützen Gründerinnen und Gründer beim Bau von Prototypen und beim Pitch vor Risikokapitalgebern ebenso wie mit Verhaltenstipps für angehende Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer. Eine Stärke ist das weit verzweigte Netzwerk, das Konzerne wie Airbus und BMW mit kleinen und mittelständischen Unternehmen, Hochschulen, Kapitalgebern und Behörden zusammenbringt. Technologiebasierte Ideen mit wissenschaftlichem oder ingenieurtechnischem Tiefgang haben in München beste Chancen. 

Die Technische Universität München fördert gezielt Startup-Gründungen.
Die Technische Universität München fördert gezielt Startup-Gründungen. © Astrid Eckert, Muenchen

Die richtige Idee zur richtigen Zeit 

Zum Beispiel Helsing: Das 2021 gegründete Unternehmen entwickelt KI-basierte Software für militärische Anwendungen. Seit der russischen Invasion der Ukraine 2022 sind Helsing-Drohnen dort im Einsatz. 2024 konnte sich das Unternehmen eine Finanzierung über 450 Millionen Euro sichern. Inzwischen hat Helsing mehr als 400 Beschäftigte und ist fünf Milliarden Euro wert.  

Damit ist Helsing in kürzester Zeit zu einem der deutschen Milliarden-Einhörner geworden. Deren Zahl hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland auf 28 mehr als verdoppelt. „Die Zahl der Unicorns in Deutschland und Europa ist in den letzten Jahren stetig gewachsen“, sagt Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands: „Das ist ein Beweis für unsere Innovationskraft.“ 

Doch nicht immer wird der Traum wahr. Laut Rafael Laguna de la Vera gibt es drei Faktoren, die für das Durchstarten junger Unternehmen maßgeblich sind: „das richtige Mindset, die Innovationsfreude und die Risikobereitschaft“. Laguna de la Vera leitet die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND), die seit 2019 Innovationen identifiziert, begleitet und finanziert. Dabei fördert die Agentur besonders schnell, unbürokratisch und zielgerichtet – 220 Millionen Euro waren es allein im Jahr 2024. „Die Gründerzeit 2.0 kommt“, ist Laguna de la Vera sicher. 

Unerwartete Unterstützung dafür kommt aus den USA. Das bislang reizvolle international ausgerichtete US-amerikanische Kulturmodell könnte durch Donald Trumps restriktive Politik Anziehungskraft einbüßen, so der SPRIND-Chef: „Da wollten alle klugen Köpfe hin, das ändert sich nun.“ Die aktuelle Situation sei somit eine Riesenchance für noch mehr aussichtsreiche Gründungen in Deutschland und Europa.