Digitaler Blick in die Vergangenheit
Online-Dokumente, Chatbot-Gespräche und Computerspiele: In Deutschland sind zuletzt ganz unterschiedliche Formen des digitalen Erinnerns entstanden.

Daten und Digitalisierung
Wie hält man Erinnerungsarbeit lebendig? Man setzt sich immer wieder neue Ziele. So macht es das Projekt #everynamecounts der Arolsen Archives, des weltweit größten Archivs zu den Opfern und Überlebenden des NS-Regimes. Erst zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 2025 erreichte die Initiative ein neues Ziel – und noch viel mehr: Ursprünglich sollten durch den Einsatz zahlreicher Freiwilliger 27.000 Häftlingspersonalkarten aus der Zeit der NS-Herrschaft digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das wurde in wenigen Tagen weit übertroffen: Rund 60.000 Freiwillige digitalisierten über 80.000 Dokumente; 1,3 Millionen Interessierte wurden im Frühjahr durch die Aktion erreicht. Ein wichtiger Meilenstein einer Arbeit, die noch lange nicht abgeschlossen ist.

Zeitzeuge und Chatbot
Abba Naor hat sich entschieden: Er will auch digital an seine Erfahrungen erinnern. Der heute 97-Jährige, der im Holocaust seine Mutter und seine Brüder verlor, erklärte sich bereit, an dem bereits 2018 an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München gestarteten Projekt „Lernen mit digitalen Zeugnissen“ (LediZ) mitzuwirken. So legt er im Video Zeugnis ab – und mittels Sprachverarbeitung beantwortet er digital sogar Fragen, die ihm etwa von Schülern gestellt werden. Zunächst war dies nur auf Deutsch möglich, aber 2024 haben die Entwickler das interaktive Video für englischsprachige Nutzer untertitelt und mit einer eigenen Chatbot-Zugriffsstruktur versehen. „Wir finden Abba Naors Erinnerungen so wichtig, dass wir sie mit der ganzen Welt teilen möchten“, hebt Professorin Christina Sanchez-Stockhammer von der Technischen Universität Chemnitz hervor. „Gleichzeitig vermittelt Abba Naors Stimme direkt seine Emotionen.“ Ziel sei es gewesen, seine Antworten so originalgetreu wie möglich zu übertragen.
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Einverständniserklärung öffnenKriegs- und Nachkriegszeit im Computerspiel
Der Zweite Weltkrieg ist längst Thema von Computerspielen. Einen vergleichsweise ungewöhnlichen Weg hat das Berliner Studio Paintbucket Games eingeschlagen: 2020 veröffentlichte es sein Strategiespiel „Through the Darkest of Times“, bei dem eine Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime nicht nur auf Waffengewalt setzt. So zählen zu den Zielen des Spiels etwa die Aufklärung der Bevölkerung über die nationalsozialistische Ideologie, ebenso der Schutz von verfolgten Bevölkerungsgruppen. 2025 wurde das Nachfolgerspiel „The Darkest Files“ veröffentlicht. Angelehnt an echte Fälle kann man dort als Staatsanwältin im Deutschland der Nachkriegsjahre gegen untergetauchte Nazi-Verbrecher ermitteln.