„Gute Ideen ecken immer an“
Ideen entstehen selten am Schreibtisch. Der Neurowissenschaftler und deutsche Meister im Science Slam Henning Beck erklärt, warum unser Gehirn Bewegung mag.
Herr Beck, was passiert im Kopf, wenn eine Idee „zündet“?
Wenn wir einen „Aha-Moment“ erleben, sind im Gehirn genau die Areale aktiviert, die für Sprache, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung wichtig sind. Kurz bevor wir den Geistesblitz haben, synchronisieren sie sich. Es ist, als würde das Gehirn zwei Puzzleteile zusammenfügen: Ein Problem wird durch Erfahrungswissen, durch überraschende Eindrücke oder eine Umdeutung der Rahmenbedingungen neuartig gelöst. Wir erleben das als positives Gefühl, denn es werden sofort Botenstoffe ausgeschüttet, die uns für diese Eingebung belohnen.
Was ist der beste Hebel für gute Einfälle?
Stellen Sie Fragen! Wir werden von klein auf dazu trainiert, Antworten zu geben. Dabei verändern Fragen die Perspektive. Je mehr Fragen man stellt, desto größer ist die Angriffsfläche für ein Problem. Viele glauben, man bräuchte bloß auf die Inspiration zu warten, bis einen die Muse küsst. Doch es ist eher so, wie Louis Pasteur gesagt hat: „Der Zufall trifft den vorbereiteten Geist.“
Ist es nicht wie bei der berühmten Skulptur „Der Denker“ von Auguste Rodin? Dem Mann, der sich auf seine Hand aufstützt und grübelt?
Nein. Kaum jemand kommt auf gute Ideen, wenn er in sich zusammengekauert nachdenkt. Stattdessen ist man besser in Bewegung: Man duscht, fährt Auto, geht mit dem Hund spazieren. Zum einen ändert sich unser Denken, wenn sich die Umgebung ändert. Zum anderen haben wir mehr Raum zum gedanklichen Abschweifen, wenn wir automatisierte Routinetätigkeiten ausführen.
Was eher mit Rodins Figur übereinstimmt: Man braucht Zeit für sich, um seine Gedanken zu sortieren – reizfrei, unabgelenkt von anderen Eindrücken.
Außerdem gilt: Kreative Momente sind fast immer bildschirmfrei. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass man auf weniger gute Ideen kommt, wenn man in einem Videocall sitzt. Denn Bildschirme zwingen den Blick in eine Richtung. Tatsächlich lassen Menschen den Blick vor einer kreativen Idee aber oft im Raum umherwandern.
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Einverständniserklärung öffnenKünstliche Intelligenz übernimmt immer mehr Aufgaben. Droht der Ideenreichtum des Menschen zu verkümmern?
KI deckt das ab, was Menschen nicht gut können: das „leichte Problem“ der Kreativität. Sie wollen 20 neue Marketingslogans ausprobieren? Fragen Sie ein Sprachmodell! Sie brauchen zehn Designentwürfe? KI steht dafür bereit. Was KI nicht ersetzen kann, ist das „schwere Problem“ der Kreativität: das Hinterfragen von Geschäftsmodellen, Produkten und Abläufen. Gute Ideen ecken immer an, sie brechen mit Denkgewohnheiten. So schaffen wir Neues.
Zur Person: Henning Beck
Der promovierte Neurowissenschaftler Henning Beck hat mehrere populärwissenschaftliche Bücher über Hirnforschung geschrieben, die auch international erfolgreich sind. Zudem ist er deutscher Meister im Science Slam.