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„Die größte zivilisatorische Leistung“

Viele Menschen bekennen sich vor der Europawahl klar zur EU. Sie wissen, was sie an Europa haben – und wie sie sich Europa vorstellen. Drei Stimmen.

15.04.2019
Nini Tsiklauri: EU-Aktivistin und Kandidatin für das EU-Parlament
Nini Tsiklauri: EU-Aktivistin und Kandidatin für das EU-Parlament © Viktoria Fellinger

„Die EU ist eine zivilisatorische Leistung, die es in der Geschichte der Menschheit so noch nie gegeben hat. Die Herausforderung, diese einzigartige Idee erfolgreich weiterzuführen und laufend zu verbessern, hat mich motiviert, aus meinem zivilgesellschaftlichen Engagement für Europa in die Politik zu wechseln. Ich habe insbesondere in den letzten zwei Jahren vielen Menschen auf der Straße zugehört. Die Vielfalt der Ideen, Anliegen und der Kritik ist für mich ein Auftrag, den ich ins EU-Parlament mitnehmen möchte: Mehr Rechte für EU-Bürger und -bürgerinnen, mehr Transparenz, mehr Informationen, mehr Partizipation – und damit mehr Engagement für die Europäische Union.

Die Schritte zum Unionsbürgertum sind gar nicht so schwierig. Aber sie wären sehr wichtig, um es den Menschen in Europa zu erleichtern, ihre europäische Identität zu spüren und ihnen die EU näherzubringen. Sie müssen in Form von Bürgerkomitees in die Erarbeitung einer europäischen Verfassung eingebunden werden und das EU-Parlament muss die uneingeschränkte Vertretung des europäischen Souveräns, nämlich der Unionsbürger und -bürgerinnen werden. Ein europäischer Reisepass und eine Reform der Europäischen Bürgerinitiative wären erste Schritte in diese Richtung.

Die globalen Herausforderungen kann nur ein selbstbewusstes, umweltbewusstes, handlungsfähiges, entscheidungsfähiges und verteidigungsfähiges Europa lösen. Wir brauchen dafür eine gemeinsame, vom Einstimmigkeitszwang befreite Außenpolitik, eine europäische Sicherheitsdoktrin mit einer europäischen Armee zur Friedenssicherung, einen klar definierten Schutz der Außengrenzen mit einer europäischen Migrationspolitik und vor allem viel mehr Mut für ein vereinigtes Europa!

Nini Tsiklauri stammt aus Georgien, ist deutsche Staatsbürgerin und lebt in Wien. Die Autorin und EU-Aktivistin kandidiert 2019 für das EU-Parlament.

Die EU ist das politisch fortschrittlichste Projekt, das die Menschheit bisher ersonnen hat.
Juuso Järviniemi, Chefredakteur von „The New Federalist“

„Europa ist Chance und Notwendigkeit“

„Die EU ist das politisch fortschrittlichste Projekt, das die Menschheit bisher ersonnen hat. Sie stellt nicht nur das erfolgreiche Bemühen dar, Kriege zwischen vorher von Feindschaft verzehrten Ländern zu beenden, sondern vielleicht auch den ersten Versuch weltweit, eine gemeinsame politische Identität zu schaffen, ohne dafür Bildungs- oder Militärapparate zu mobilisieren.

Für mich ist Europa gleichzeitig Chance und Notwendigkeit. Ein vereintes Europa bietet seinen Bürgern mehr Chancen als der einzelne Mitgliedsstaat, von Studium und Arbeit im Ausland bis zum Kauf günstigerer Produkte aus ganz Europa. Doch es ist auch eine Notwendigkeit: Der Brexit zeigt uns, wie ein Leben ohne Europa aussähe –  und das ist keine verlockende Aussicht. Jetzt, wo wir die Alternative kennen, wird deutlich, dass wir zusammenstehen müssen: Wenn wir uns für eine europäische Identität entscheiden, können wir das auch mit einem Lächeln tun.

Ich glaube, dass die Europäer vor diesem Hintergrund früher oder später den Mut finden werden, eine demokratischere EU zu entwickeln. Eine EU, in der zuerst die Bürger entscheiden. Eine EU, die stark genug ist, ihren Bürgern ein Mindestmaß an sozialer Absicherung zu gewährleisten und die Europäer vor Militärangriffen zu schützen.“

Juuso Järviniemi kommt aus Finnland, studiert in Schottland und nimmt derzeit am Erasmus-Programm in Paris teil. Er engagiert sich bei den Young European Federalists (JEF) als Chefredakteur von „The New Federalist“.

Juuso Järviniemi engagiert sich bei den Young European Federalists.
Juuso Järviniemi engagiert sich bei den Young European Federalists. © privat

„Ich glaube an ein Europa des Volkes“

„Die Europäische Union ist mein Lebensraum, sie ist mein Land. In Antwerpen kam ich in die Schule, im deutschen Viersen lebte mein Brieffreund, in Rom beendete ich mein Studium. Borussia Mönchengladbach und Juventus Turin sind meine Lieblingsfußballmannschaften – nach Olympique Lyonnais. Ich lebte in Brüssel, arbeitete in Mailand und träumte in Berlin. Aber Europa – das sind für mich nicht nur die großen Städte, sondern Chambéry, Savoyen, wo ich gerade wohne, Viterbo in der italienischen Region Latium, Ruhpolding im Chiemgau, Seraing bei Lüttich und das irische Clifden.

Nach der Schließung der Grenzen, die François Hollande als Reaktion auf die Terrorattacke 2015 in Paris beschlossen hat, nach dem Brexit-Begehren und der Machtübernahme der Populisten in Italien , Ungarn und Polen, habe ich mich für die Renaissance Europas eingesetzt. Wir müssen neue Integrationsprojekte starten: soziale Rechte, Verteidigung, Steuern. Dann werden wir eines Tages in der von Ulrike Guérot beschriebenen Europäischen Republik ankommen.

Ich glaube an ein Europa des Volkes, das von den Menschen getragen wird, wie in der Vergangenheit auf dem Maidan in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, wie paradoxerweise heute im Vereinigten Königreich oder wie auf den Kundgebungen von Pulse of Europe. Die Flagge der Europäischen Union, die von den Bürgern freudig auf der Straße geschwenkt wird, ist ein starkes Symbol. Es ist eine der Möglichkeiten, diesen Moment des Zögerns, den Europa zwischen seiner Vergangenheit und seiner Zukunft erlebt, zu überwinden.“

Marc Lavedrine ist Franzose, aber in verschiedenen europäischen Ländern aufgewachsen. Der Lehrer und Consultant leitet die Pulse of Europe-Initiative in Chambéry.

Marc Lavedrine (hinten rechts) unterstützt die Pulse of Europe-Bewegung in Frankreich.
Marc Lavedrine (hinten rechts) unterstützt Pulse of Europe in Frankreich. © privat

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