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Mit Biodiversität Krisen überwinden

EU-Umweltkommissar Sinkevičius über Biodiversität, Nachhaltigkeit und die Notwendigkeit einer grenzübergreifenden Zusammenarbeit.

Christina Iglhaut, 15.07.2020
Biodiversity
© christian-haidl.de - stock.adobe.com

Herr Sinkevičius, warum ist der Artenschutz für uns Menschen so wichtig?
Arten und Artenvielfalt sind nicht nur ‚nice to have‘. Unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und unsere Gesundheit hängen von ihnen ab. Wenn die Natur gesund ist, schützt sie uns und sorgt für uns. Wenn die Natur zerstört wird, spüren wir die Auswirkungen direkt. Über die Hälfte des globalen BIP ist abhängig von ihr. Die biologische Vielfalt und die Ökosysteme versorgen uns mit Nahrung, schützen unsere Gesundheit, sorgen für Medikamente, Materialien, Erholung und Wohlbefinden. Sie filtern Luft und Wasser, regulieren das Klima, wandeln Abfall wieder in Ressourcen um, bestäuben und düngen Nutzpflanzen und vieles mehr.

Der Verlust der biologischen Vielfalt und der Zusammenbruch der Ökosysteme sind eine der größten Bedrohungen für die Menschheit im nächsten Jahrzehnt. Sie bedrohen die Grundlagen unserer Wirtschaft, und die Kosten falls wir nicht handeln sind hoch.

Warum brauchen wir eine Zusammenarbeit auf EU-Ebene? Könnten wir das Thema nicht alle allein angehen?
Das liegt in der Natur der Umweltpolitik. Die Donau ist ein deutscher, österreichischer, slowakischer, ungarischer, kroatischer, bulgarischer und rumänischer Fluss – sie ist eine gemeinsame Ressource. Deshalb brauchen wir eine europäische Zusammenarbeit und gegenseitig akzeptierte Standards, die für alle fair sind. Das gilt auch für die Luft, die wir atmen, und für die biologische Vielfalt.

Die EU ist einer der größten Märkte der Welt und ein starker globaler Akteur. Deshalb kann sie durch die Umsetzung von richtigen politischen Maßnahmen und durch ihr Handeln auf bilateraler, regionaler und multilateraler Ebene einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung globaler Umweltprobleme leisten.

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Wie sieht die neue EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 aus?
Die Strategie verfolgt drei Hauptziele. Das erste ist der Schutz der Natur und die Umkehrung der Degradation der Ökosysteme. Das zweite ist der Aufbau von Widerstandsfähigkeit gegenüber aktuellen und zukünftigen Bedrohungen wie Klimawandel, Ernährungsunsicherheit und Ausbrüchen von Krankheiten. Und das dritte ist die Unterstützung einer grünen Genesung – es ist sehr wichtig, dass die Menschen die mächtige Rolle verstehen, die die Natur spielen kann, um uns zu helfen, aus diesen Krisen herauszukommen.

Die meisten der Verpflichtungen sollen bis 2030 erfüllt werden. Bis dahin wollen wir ein viel größeres EU-weites Netz von Naturschutzgebieten kreieren. Wir wollen außerdem einen EU-Naturwiederherstellungsplan durchsetzen, mit konkreten Verpflichtungen und Maßnahmen zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme, zum Beispiel durch die Verringerung des Pestizideinsatzes, die Pflanzung von 3 Milliarden Bäumen und die Ausweitung der ökologisch bewirtschafteten Flächen.

Welche Rolle spielt der Umwelt- und Artenschutz bei der Verhinderung von Epidemien und Pandemien?
Es gibt immer mehr wissenschaftliche Belege für einen Zusammenhang zwischen der Zerstörung der Natur und dem Auftreten von Krankheitsausbrüchen wie der COVID-19-Pandemie. COVID-19 – dessen genauer Ursprung noch untersucht wird, der aber höchstwahrscheinlich aus der Natur kam – hat gezeigt, wie eng die menschliche Gesundheit mit der Natur verbunden ist.

Die biologische Vielfalt besteht aus immens komplexen Systemen, die sich über Millionen von Jahren entwickelt haben. Der Mensch, die Natur und Viren sind alle Teil dieser Ökosysteme. Wenn wir also die Ökosysteme zum Beispiel durch Entwaldung, Bodendegradation oder nicht nachhaltige Landwirtschaft zerstören, führt dies zu erhöhten Instabilitäten und Risiken. Der Klimawandel ist ein Beispiel, und die Ausbreitung neuer Viren aus der Natur ist ein weiteres.

Eine nachhaltige Wirtschaft gibt dem Planeten mehr zurück, als sie ihm wegnimmt.
Virginijus Sinkevičius, EU-Kommisar für Umwelt, Meere und Fischerei

Wie könnte eine nachhaltige Wirtschaft aussehen, die den Artenschutz fördert und die Ökosysteme nicht weiter ausbeutet?
Eine nachhaltige Wirtschaft gibt dem Planeten mehr zurück, als sie ihm wegnimmt. Es ist eine Wirtschaft, in der die Art und Weise, wie wir Ressourcen nutzen, nachhaltig ist. Sie basiert auf erneuerbaren, wiederverwertbaren und wiederverwendbaren Materialien und Prozessen, verschmutzt den Planeten nicht und ermöglicht den Ökosystemen und Ressourcen, sich zu regenerieren.

Wie sich herausstellt, ist eine solche Wirtschaft auch widerstandsfähiger gegen externe Schocks. Wir sprechen über zuverlässige, kürzere Lieferketten, langfristige Sicherheit für Unternehmen, gut gebaute Produkte, die lange halten, Niedrigenergiehäuser, dienstleistungsorientierte Volkswirtschaften, nahrhafte, schmackhafte lokale und saisonale Lebensmittel, grüne Städte und landwirtschaftliche Flächen, die reich an biologischer Vielfalt sind genau wie saubere Flüsse und Meere.

Was kann jeder Einzelne tun, um den Artenschutz zu fördern?
Wir alle spielen eine Rolle. Wir können mit ganz einfachen Dingen helfen: Plastik und Abfall reduzieren zum Beispiel. Es ist ja bekannt, dass Einweg-Plastikstrohhalme an den Stränden und in den Meeren landen und von Fischen und Vögeln gefressen werden können, was eine Gefahr für deren Gesundheit und Leben darstellt.

Unsere Umwelt und die Natur in unserer Nähe zu schützen, sich für nahrhafte, gesunde Lebensmittel zu entscheiden, die nachhaltig angebaut und produziert werden und unseren ökologischen Fußabdruck minimieren, das ist es, was jeder von uns tun kann.

Virginijus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt, Meere und Fischerei
Virginijus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt, Meere und Fischerei © picture alliance/dpa

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