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Artikel 4: Religionsfreiheit

Josef Schuster: Eine Freiheit, für die es zu kämpfen gilt.

Josef Schuster, 23.04.2019
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland © Photothek via Getty Images

Das Grundgesetz ist eine Errungenschaft, die wir gar nicht hoch genug schätzen können. Aus Sicht der Religionsgemeinschaften kommt dabei Artikel 4 eine ganz besondere Bedeutung zu, denn darin wird die Religionsfreiheit garantiert.

Historisch bedingt, geht die Bedeutung von Artikel 4 aus Sicht der jüdischen Gemeinschaft aber noch viel weiter. Es lohnt sich, den Artikel in seiner Gänze zu betrachten: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden (…).“

Die Freiheit des Glaubens ist unverletzlich.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 4

Die Erfahrung der totalen Entrechtung und Verfolgung während des Nationalsozialismus allein aufgrund der Zugehörigkeit zum Judentum ist bis heute in jüdischen Familien sehr präsent. Die staatliche Willkür, die damals herrschte, ist nicht ein abstraktes historisches Wissen. Nein, fast jede Familie trägt persönliche Erinnerungen an das Leid in der Schoah in sich.

Die Sensoren für die hohe Bedeutung der Unverletzlichkeit der Freiheit des Glaubens und des religiösen Bekenntnisses sind daher in der jüdischen Gemeinschaft vermutlich so stark ausgeprägt wie nirgends sonst.

Zugleich sind wir uns der Bedeutung der Gewissensfreiheit sehr bewusst, die ebenfalls in Artikel 4 garantiert ist. Kommunisten und Sozialdemokraten gehörten neben Juden zu den ersten Opfern der Nationalsozialisten. Auch die Widerstandskämpfer, die mutig der Stimme ihres Gewissens folgten, bezahlten dafür in der Regel mit ihrem Leben. Tausende Juden haben gemeinsam mit diesen Menschen in Konzentrationslagern gelitten. Für immer wird uns diese Erfahrung verbinden.

Mit großer Klugheit haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes die Grundrechte am Anfang des Grundgesetzes gewichtet. Die Religions- und Gewissensfreiheit nimmt an vierter Stelle einen prominenten Platz ein.

Demokraten können Anfeindungen gegen Juden und Muslime nicht als Normalfall tolerieren.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Für diese Freiheit müssen wir kämpfen. Denn sie besteht in Deutschland im Alltag nicht uneingeschränkt. Synagogen müssen von der Polizei geschützt werden. Juden, die als solche erkennbar sind, werden in der Öffentlichkeit angegriffen. Auch Moscheen und Muslime sind immer häufiger Anschlägen und Anfeindungen ausgesetzt.

Demokraten können dies nicht als Normalfall tolerieren. So wie alle Menschen auf Grundlage von Artikel 4 uneingeschränkt das Recht haben, keiner Religion anzugehören oder ihr Bekenntnis zu verschweigen, so müssen alle Bürger auch ihr Recht ausüben können, auf dem Boden des Grundgesetzes ihre Religion uneingeschränkt leben zu können.
 

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 4
 

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

 

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