Ernährung neu denken
Wie kann Nahrung fair, gerecht und umweltfreundlich sein? Das erklärt Nina Wolff, Vorsitzende von Slow Food Deutschland im Interview.
Das globale Netzwerk Slow Food setzt sich weltweit für nachhaltige Lebensmittel für alle ein. Wie das funktionieren kann, erklärt Dr. Nina Wolff, Vorsitzende von Slow Food Deutschland e.V..
Frau Wolff, was ist die Idee hinter Slow Food?
Slow Food arbeitet an der Umsetzung einer Ernährungswelt, in der alle Menschen Zugang zu guten, sauberen und fairen Lebensmitteln haben. Eine Ernährungswelt, die auf fairen Beziehungen basiert, die biologische und kulturelle Vielfalt, das Klima und die Gesundheit fördert. Slow Food zeigt, wie die dafür notwendigen politischen, praktischen und kulinarischen Lösungen aussehen. Wir engagieren uns regional, bundesweit sowie national mit Bildungsarbeit, Projekten für den Schutz der Vielfalt und mit politischer Interessenvertretung.
Wie arbeitet Slow Food?
Slow Food ist in über 160 Ländern aktiv, teilweise mit einer eigenen nationalen Vertretung wie in Deutschland oder mit einzelnen Projekten wie dem Köch*innen-Netzwerk Chef Alliance, den Märkten der Erde und der Arche des Geschmacks, die Nutztierrassen und Nutzpflanzen vor dem Aussterben rettet. Das Brüsseler Büro fokussiert sich auf die politische Arbeit.
Wie können wir durch eine nachhaltige Ernährung dazu beitragen, globale Ernährungssysteme zu verbessern?
Wenn die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten wächst, wirkt sich das positiv auf eine zukunftsfähige Erzeugung aus. Aus Sicht von Slow Food ist dabei entscheidend, dass Zivilgesellschaft, Politik und Handel Lust auf nachhaltiges Essen machen und die Menschen überzeugen, dass Freude und Genuss sich gut mit Verantwortung gegenüber Menschen, Tier, Umwelt und Klima verbinden lassen.
Welchen Einfluss hat die Lebensmittelindustrie auf das Klima?
Die Prozesse rund um Herstellung, Verkauf und Verzehr unserer Lebensmittel sind für rund ein Drittel der menschengemachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Tierische Produkte und die Lebensmittelverschwendung fallen besonders ins Gewicht. Das industrielle Lebensmittelsystem trägt maßgeblich zu den großen Krisen unserer Zeit bei: Klimawandel, Biodiversitätsverlust, soziale Krisen.
Mit ihren Nachhaltigkeitszielen möchten die UN den Hunger weltweit bis 2030 beenden. Was muss passieren, damit wir dieses Ziel erreichen?
Wir müssten als Weltgemeinschaft globale und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt unseres Handelns rücken und die Art und Weise, wie wir Lebensmittel erzeugen, verarbeiten und nutzen, an den planetaren Grenzen ausrichten und vorwiegend in regionalen Kreisläufen organisieren. Damit es auf unserem Planeten für alle reicht, müssen wir im globalen Norden unsere Ernährungsweise in drei wesentlichen Punkten ändern: deutlich pflanzlicher, regionaler und ohne Verschwendung.
Zudem müssten wir die Abhängigkeiten des globalen Südens von Saatgut, Dünger, Lebensmittelrohstoffen sowie verarbeiteten Lebensmitteln stoppen, wir müssten aufhören, mit unseren Exporten, insbesondere von tierischen Produkten, die Märkte des globalen Südens zu zerstören. Stattdessen müssen wir die Menschen im globalen Süden dabei unterstützen, Zugang zu Land und regionalem Saatgut zu erhalten, lokale und regionale Erzeugungsstrukturen wieder aufzubauen, das Lebensmittelhandwerk und -wissen zu fördern. Slow-Food-Projekte wie „10.000 Gärten in Afrika“ zeigen, wie Ernährungssouveränität und -sicherung wieder gelingt. Wir müssen faire Lieferkettengesetze ausbauen und verbindlich kontrollieren.
Du möchtest regelmäßig Informationen über Deutschland bekommen? Hier geht’s zur Anmeldung: