„Schmerzhafte Herausforderungen“
Klimawandel und Trockenheit bedrohen die Wasservorräte. Die deutschen Wasserversorger müssen sich umstellen.
Herr Specht, wir haben in Deutschland 2022 einen der heißesten Sommer mit den geringsten Niederschlägen erlebt. Wird das Trinkwasser knapp?
Niemand in Deutschland muss derzeit fürchten, dass infolge von Trockenheit direkt morgen kein Trinkwasser mehr aus der Leitung kommt. Die kommunalen Wasserversorger sehen sich gut gerüstet. Dennoch: Lange Trockenheit stresst unsere Wasserressourcen, Nutzungskonkurrenzen ums Wasser werden zunehmen. Die Folgen des Klimawandels mögen zwar von Ort zu Ort unterschiedlich stark ausgeprägt sein, erfordern jedoch in ganz Deutschland Anpassungsmaßnahmen.
Damit die Versorgungssicherheit auch zukünftig gewährleistet ist, müssen wir unsere Wasserressourcen besser als bisher vor Verschmutzungen schützen, damit sie der Trinkwasserversorgung dienen können. Bei Nutzungskonkurrenzen muss der im Gesetz verankerte Vorrang für die öffentliche Wasserversorgung wieder stärker berücksichtigt werden. Und wir müssen Investitionen beschleunigen: Acht Milliarden Euro investiert die kommunale Wasserwirtschaft pro Jahr in den Erhalt und die Entwicklung der Systeme: beständig, auf hohem Niveau und wenn möglich in Klimaresilienz. Für die zügige Umsetzung braucht es aber zusätzlich gezielte Förderung und einfachere Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Sie sprachen jüngst von einer trockenen Zukunft. Für manche Regionen in Deutschland rechnen Sie in 20 Jahren mit klimatischen Verhältnissen wie in Südfrankreich. Was muss bis dahin geschehen?
Viele Wasserversorger haben ihre Infrastrukturen in den vergangenen Jahren bereits angepasst, um sie klimaresilienter zu machen. Zu den weiteren Vorbereitungen zählen: ein höherer Fremdbezug, der Austausch mit anderen Wasserversorgern zwecks gegenseitiger Hilfe im Ernstfall und Appelle an Kunden, sparsam mit Wasser umzugehen. Diese Adhoc-Maßnahmen zahlen auch auf das langfristige Klimaresilienz-Ziel ein: Ausbau der Infrastrukturen, Vernetzung und Kooperation sowie Kommunikation mit den Verbrauchern gehören zu den Top 3 Maßnahmen für die Zukunft.
Deutschland arbeitet im Kampf gegen den Klimawandel mit Partnern wie Südafrika und Marokko zusammen. Was können wir von diesen Ländern lernen?
Der Klimawandel stellt uns weltweit vor große und auch schmerzhafte Herausforderungen. Ein fachlicher Austausch bringt uns alle weiter, vor allem mit denen, die die Auswirkungen längst spüren. Der Austausch hilft, um uns den Spiegel vorzuhalten und voneinander zu lernen. Im internationalen Vergleich ist Deutschland ein wasserreiches Land. Aber: Damit das so bleibt, müssen wir die Systeme anpassen, auch wenn wir noch Zeit haben. Wir dürfen uns nicht selbst blockieren und diese Zeit vertrödeln.
Deutschland forciert die Wasserstoffproduktion. Sie benötigt für ein Kilo Wasserstoff neun Liter Wasser. Wie soll das gehen?
Wir haben derzeit in Deutschland bei der Wasserstoffproduktion keine Engpässe bei der Wasserversorgung zu befürchten. Für den Hochlauf der Wasserstoffproduktion muss aber die Frage, welche Wasserressourcen man dazu konkret wie nutzen kann, durch vorausschauende Planung frühzeitig und unter Einbindung des jeweiligen Wasserversorgers geklärt werden. Wie bei vielen Ansiedlungen von Industrieanlagen werden auch bei der Wasserstoffproduktion die Quantität und Qualität des jeweiligen Wasserdargebots entscheidende Faktoren sein.
Karsten Specht ist Vizepräsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und Geschäftsführer des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbands. Der VKU vertritt in Deutschland mehr als 1.500 kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation mit rund 282.000 Beschäftigten. Rund 90 Prozent aller Einwohner Deutschlands beziehen ihr Trinkwasser von Unternehmen, die in dem Verband organisiert sind.
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