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Deutschlands Weg ins All

Wie sich die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie zur zivilen und militärischen Schlüsselbranche entwickelt. 

Björn Müller und Wolf Zinn , 03.07.2025
Deutschland ist ein starker Partner der ESA.
Deutschland ist ein starker Partner der ESA. © ESA

Andøya, 30. März 2025. Am nördlichen Rand Europas ist der Himmel grau, die Küste rau, der Boden gefroren. Und doch beginnt hier, auf einer kleinen Insel vor der norwegischen Küste, eine neue Ära der deutschen Raumfahrt. Zwar stürzt die „Spectrum“-Rakete, die vom dortigen Weltraumbahnhof startet, schon nach 30 Sekunden ins Meer. Doch für das bayerische Startup Isar Aerospace, das die Spectrum gebaut hat, ist die Aktion ein voller Erfolg: Erstmals hat ein Trägersystem von kontinentaleuropäischem Boden abgehoben –  Deutschlands Weg ins All wird immer kürzer. 

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Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie erlebt einen Aufschwung, das gilt für ihren zivilen sowie für ihren militärischen Zweig. Die etablierten Unternehmen und Forschungsinstitute sind auf Wachstumskurs – und immer mehr Startups mischen mit viel Pioniergeist kräftig mit.  

Strategische Schlüsseltechnologien mit globaler Bedeutung 

Die technologische Basis der Branche ist von überragender Bedeutung. Denn sie bündelt vom Drohnen- bis zum Satellitenbau nahezu alle strategischen Schlüsseltechnologien. Und für die Ausrüstung der Bundeswehr und ihrer Verbündeten in der weltweit angespannten sicherheitspolitischen Lage sind ihre Fähigkeiten inzwischen unabdingbar. 

Zum Beispiel beim Aufbau der europäischen Satellitenkonstellation IRIS² für eine souveräne und resiliente Kommunikation. Die Konstellation mit rund 300 Kleinsatelliten soll ein europäisches Pendant zum US-amerikanischen Starlink-System schaffen – ein Netz im Orbit, das unabhängig von anderen Weltmächten operieren kann. Daran beteiligt sind deutsche Unternehmen wie der Satellitenhersteller OHB aus Bremen und Airbus Defence and Space mit Sitz in München. Auch der Aufbau einer umfassenden Luftverteidigung gilt als zentrale Herausforderung für den militärischen Schutz Europas vor Angriffen. Hierfür spielt das Flugabwehrsystem IRIS-T von Diehl eine entscheidende Rolle: Es etabliert sich gerade als europäischer Standard für die Verteidigung gegen anfliegende Objekte in einer Höhe zwischen sechs und 35 Kilometern, die sogenannte mittlere Abfangschicht – also genau dort, wo aktuelle Bedrohungsszenarien besonders realistisch sind. 

Das militärische Transportflugzeug Airbus A400M
Das militärische Transportflugzeug Airbus A400M © Airbus

Wirtschaftlicher Motor und Exportschlager 

Kein Wunder also, dass Deutschlands Luft- und Raumfahrtunternehmen im Aufwind sind. Der Branchenumsatz wuchs 2024 von 46 auf 52 Milliarden Euro, meldet der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). Die Anzahl der Beschäftigten stieg von 115.000 auf 120.000. Die Perspektiven: sehr gut. 

Dabei sind nicht nur Raumfahrt und Luftverteidigung im Kommen. Auch die zivile Luftfahrt erholt sich spürbar von den pandemiebedingten Einbrüchen der vergangenen Jahre. Viele Fluggesellschaften erneuern ihre Flotten oder bauen sie aus. Auf der weltweit wichtigsten Luftfahrtmesse – der Paris Air Show – verzeichnete Airbus im Juni 2025 einen historischen Auftragsrekord: Der europäische Luftfahrtkonzern, an dem Deutschland und Frankreich maßgeblich beteiligt sind, sicherte sich 250 Bestellungen und Vorverträge für Jets und Frachtflugzeuge. Unter den Kunden sind Riyadh Air aus Saudi-Arabien, Vietjet aus Vietnam und Polens staatliche Fluggesellschaft LOT.  

Das verweist auf die internationale Stärke der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, deren Exportquote bei fast 70 Prozent liegt. „Luft- und Raumfahrt ist eine Zukunftsindustrie in Deutschland. Unsere Unternehmen wachsen entgegen dem allgemeinen Trend kontinuierlich und tragen entscheidend zur Souveränität Deutschlands und zur Wettbewerbsfähigkeit in der Welt bei“, sagt BDLI-Präsident Michael Schöllhorn. 

Rabea Rogge flog im April 2025 als erste deutsche Frau ins All.
Rabea Rogge flog im April 2025 als erste deutsche Frau ins All. © dpa

Deutschlands Rolle in der ESA 

Deutschland ist ein Rückgrat der Europäischen Weltraumorganisation ESA, deren 23 Mitglieder gerade das 50-jährige Bestehen feierten. Mit mehr als 20 Prozent der Haushaltsmittel ist die Bundesrepublik der größten Beitragszahler der ESA vor Frankreich und zudem ein starker Partner der Internationalen Raumstation ISS. Zahlreiche deutsche Astronauten waren bereits im Weltall, etwa Thomas Reiter, Alexander Gerst und zuletzt – als Wissenschaftlerin – Rabea Rogge.  

Viele zentrale Einrichtungen der ESA befinden sich in Deutschland: das europäische Raumflugkontrollzentrum ESOC in Darmstadt, das Astronautenzentrum EAC in Köln, das Columbus-Kontrollzentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen oder der Teststandort für Raketenantriebe in Lampoldshausen. 

Mit dem Know-how dieser Institutionen werden komplexe Missionen wie der Jupitermond-Orbiter JUICE gesteuert, neue Trägersysteme wie Ariane 6 getestet – und künftige bemannte Raumflüge vorbereitet. Der sogenannte Geo-Return der ESA – also die Rückvergabe von Aufträgen an die beteiligten Mitgliedsstaaten – sorgt dafür, dass auch die deutsche Industrie direkt von diesen Investitionen profitiert. 

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Innovationszentrum Bayern 

Zentrum der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie ist Bayern, vor allem der Großraum München. Hier haben Schwergewichte wie Airbus und der Triebwerkshersteller MTU ihren Sitz – ebenso wie eine Reihe von aufstrebenden Firmen, die derzeit den Markt neu ordnen. Der Drohnenhersteller Quantum Systems etwa oder das KI-Startup Helsing. 

Ein besonderes Augenmerk liegt in der Branche auf der Förderung sogenannter „New Space“-Startups. So entwickelt etwa das erwähnte Unternehmen Isar Aerospace Technologies mit Sitz in Ottobrunn bei München Trägerraketen, die kleinere Satelliten zu deutlich niedrigeren Kosten als bisher ins All bringen sollen. Auch der neue NATO Innovation Fund beteiligt sich an der Finanzierung.  

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Neue Akteure am Start 

Weitere Akteure heizen die Aufbruchstimmung an: Die Rocket Factory Augsburg arbeitet an der RFA One, einem modularen Raketensystem mit hoher Serienfertigungstauglichkeit. Das Unternehmen HyImpulse testet derzeit Hybridtriebwerke mit verringerter Explosionsgefahr. Exolaunch in Berlin hat sich auf den Transport und die Integration von Kleinsatelliten spezialisiert, OroraTech liefert mit seinen Mikrosatelliten Frühwarnsysteme für Waldbrände – und ist inzwischen auch Teil des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus. 

Um diese Dynamik zu erhalten, fordert der Bundesverband BDLI langfristig eine stärkere politische Unterstützung und gezielte Investitionen in die Raumfahrtstandorte und Innovationsnetzwerke. Damit könnte die deutsche Raumfahrt auf Jahre hinaus international wettbewerbsfähig bleiben – und gleichzeitig einen entscheidenden Beitrag zur strategischen Unabhängigkeit Europas leisten.